Heute möchte ich euch eine Frage mitgeben. Die Frage ist keineswegs neu und vielleicht sogar eine der am häufigsten aufgeworfenen Fragen in christlichen Runden. Trotzdem springt sie mir immer wieder neu ins Auge, wenn ich in der Bibel lese. Und immer wieder muss ich feststellen: Meine Antworten ändern sich von Zeit zu Zeit, die Frage ist aber immer gleichbleiben, herausfordernd (oder sogar unangenehm) und doch gleichzeitig so wichtig für meine Beziehung zu Gott. Deshalb stelle ich sie mir gerne immer wieder und lade euch heute ein, das auch mal wieder zu tun.
Auf die Frage gestoßen bin ich, als ich neulich vor dem Schlafengehen Lukas Kapitel 14 gelesen habe. Wie in vielen Kapiteln der Evangelien findet man auch Lukas 14 viele verschiedene und nicht immer direkt zusammenhängende Berichte von dem, was Jesus getan und gepredigt hat. Manchmal findet man in diesen Kapiteln sogar mehrere Aussagen, die auf den ersten Blick schwer zu vereinbaren sind. So ging es mir auch hier.
Ab Vers 15 erzählt Jesus ein Gleichnis, das in meiner Elberfelder Bibelübersetzung mit „Gleichnis vom großen Gastmahl“ überschrieben ist. Dort geht es um einen Menschen, der viele Leute zu einem – wer hätte es gedacht – großen Gastmahl einlädt. Die großzügigen Einladung stößt aber nicht überall auf die erhoffte Reaktion: Viele der Eingeladenen lassen sich aus dem ein oder anderen Grund entschuldigen und wollen nicht teilnehmen, weil sie Anderes und vermeintlich Wichtigeres zu tun haben. Daraufhin beschließt der Gastgeber, anstelle der ursprünglich Eingeladenen Personen neue Gäste zu finden, die auch tatsächlich Lust haben zu seinem Fest zu kommen. So sendet er letztendlich sogar einen Angestellten aus, um jeden einzuladen, den er irgendwo auf der Straße antrifft.
Das Gleichnis wird gemeinhin so ausgelegt, dass Gott zuerst seinem Volk Israel die Einladung in eine Ewigkeit mit ihm ausgesprochen hat. Als seine Einladung nicht auf die erhoffte, freudige Reaktion stieß, hat er den exklusiven Status seines Volkes auf alle Menschen erweitert. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht so detailliert auf dieses Gleichnis und seine Auslegung eingehen, sondern erst mal nur festhalten: Wenn der Gastgeber zu seinem Angestellten sagt
„Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und bringe die Armen und Krüppel und Blinden und Lahmen hier herein!“ (Lukas 14,21)
dann denke ich, ich kann das direkt auf mich beziehen. ICH bin einer dieser Außenseiter, die zu einem prunkvollen und exquisiten Fest eingeladen sind – und zwar kostenlos! Ich darf am größten und besten Fest teilnehmen und muss nichts bezahlen, sondern einfach nur hingehen.
Aber gleich im nächsten Abschnitt scheint Jesus diese überaus schöne, ergreifende und nahezu bedingungslose Einladung komplett zu revidieren:
„Es gingen aber große Volksmengen mit ihm; und er wandte sich um und sprach zu ihnen: Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein; und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein.“ (Lukas 14,25-27)
Wo kommt das plötzlich her?! Warum auf einmal so hart, obwohl doch gerade noch von dem größten Geschenk die Rede war? Von der Einladung, zu der man nichts beizutragen braucht, als nur zu erscheinen? Und nun geht es um Bedingungen?
An dieser Stelle bin ich erst mal hängen geblieben. Wie passt das zu dem kurz davor Berichteten? Und mehr als das: Wie passen diese harten Worte zu Jesus? Weil ich nicht direkt eine befriedigende Antwort darauf hatte, habe ich ein wenig Zeit mit der Stelle verbracht und darüber nachgedacht.
Zunächst sei mal gesagt, dass verschiedene Übersetzungen die Stelle recht unterschiedlich übersetzen. Hier mal zwei Beispiele:
„Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein;“ (Lukas 14,26; Revidierte Elberfelder Übersetzung)
„Wenn jemand zu mir kommen will, muss ich ihm wichtiger sein als sein eigener Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister und selbst sein eigenes Leben; sonst kann er nicht mein Jünger sein.“ (Lukas 14,26; Neue evangelistische Übersetzung)
Die Schlachter 2000 Übersetzung übersetzt zwar wie die Elberfelder mit „Hassen“, fügt aber in einer Fußnote hinzu:
„»Hassen« bedeutet hier kein bösartiges Gefühl, sondern verschmähen bzw. zurückstellen um des Herrn willen.“ (Fußnote zu Lukas 14,26)
Es geht hier also nicht um wirklichen Hass oder Abneigung gegenüber sich selbst oder anderen, sondern offenbar um Prioritäten. Das hat mir schon mal den ersten Schock genommen. Und wenn es nicht um Hass, sondern um Priorisierung geht, dann gibt es ja auch plötzlich eine Verbindung zum Gleichnis davor. Geht es nicht dort auch um Prioritäten? Was hielt denn die ursprünglich eingeladenen Gäste davon ab, zum Gastmahl zu erscheinen? Ihnen waren andere Dinge wichtiger.
Und das bringt mich zu der Frage, von der ich zu Beginn des Beitrags geschrieben habe und die es sich, wie ich finde, immer wieder zu stellen lohnt:
Was ist mir im Leben wichtig? Oder besser: Was ist mir im Leben wichtiger als Gott und seine Einladung zum ewigen Leben?
Im Gleichnis des großen Gastmahls waren das zum Beispiel Arbeit (ein Acker, der bestellt werden wollte), Besitz (neu erworbene Ochsen, die „ausprobiert“ werden wollten) oder Familie (eine kürzlich geheiratete Frau). Ich denke hier hat Jesus mehr oder weniger zeitlose Beispiele gewählt, mit denen sich vermutlich viele von uns identifizieren können. Die Liste muss hier aber nicht aufhören. Es können ganz vielfältige Dinge sein, die uns im Leben beschäftigen, (zu) viel Raum einnehmen und wenig Platz für Gott lassen.
Wenn ich so über das Gleichnis vom Gastmahl nachdenke, dann muss ich gestehen, dass meine erste Reaktion auf die Absagen in etwa diese war: „Wie können die Eingeladenen nur so dumm sein, sich ein solches Fest entgehen zu lassen?“
Aber je mehr ich darüber nachdenke und mir so eine Einladung (vielleicht eines guten Freundes) ganz praktisch in meinem Leben vorstelle, dann muss ich mir eingestehen, dass ich vermutlich auch nicht in jeder Situation zusagen würde. Wie oft kommt es vor, dass ich z.B. von der Arbeit oder den Kindern so erschöpft bin, dass ich lieber auf dem Sofa bleiben möchte, statt mich noch mal chic zu machen, ggf. ins Auto zu steigen und noch auf eine Geburtstagsparty mit zig mir mehr oder weniger bekannten Leute, lauter Musik und viel Trubel zu gehen – und das obwohl ich dort den ganzen Abend umsonst essen und trinken könnte.
Es gibt hier also offenbar noch einen tiefergehenden Punkt, der mir vorher noch nie so deutlich ins Auge gefallen ist: Wenn all die Menschen, die der Gastgeber im Gleichnis eingeladen hat, von ihren alltäglichen Sorgen so eingenommen waren, dass sie lieber abgesagt haben als zum festlichen Mahl zu erscheinen – war ihnen dann eigentlich wirklich bewusst, auf WAS sie verzichteten? Ist MIR eigentlich immer wirklich klar, zu WAS mich Gott eingeladen hat? Oder ist es nicht vielmehr so, dass, wenn der Alltag mich mal wieder komplett einnimmt und ich in meinem Glaubensleben kaum „vom Sofa hochkomme“, ich ein Stück weit vergesse, was für eine unglaubliche und ihres gleichen suchende Einladung ich da eigentlich erhalten habe?
Vielleicht ist es das, was Jesus mit seinen übermäßig harsch klingenden Worten eigentlich sagen will: Wer wirklich verstanden hat, welche unglaubliche Einladung ihm ausgesprochen wurde, für den dürfte es eigentlich nichts Größeres mehr geben, als dieser Einladung nachzugehen – als oberste Priorität! Und das nicht mal uneigennützig …
Ich habe mir daher vorgenommen, mir in nächster Zeit mal wieder mehr zu vergegenwärtigen, WAS Gottes Plan mit dieser Welt ist und WIE unglaublich die Ewigkeit sein wird zu der er mich eingeladen hat. Vielleicht findet der oder die ein oder andere von euch es ja ebenso wertvoll, mal wieder vermehrt darüber nachzudenken. Wenn ihr mögt, können wir uns auch gerne darüber austauschen 😊 Und wenn wir uns gegenseitig davon vorschwärmen, was uns bei den tatsächlichen „Gastmahl“ erwartet, dann fällt es uns vielleicht auch deutlich leichter, die manchmal so unangenehme Frage ehrlich zu beantworten:
Wo liegen eigentlich meine Prioritäten? Und sind das die richtigen Prioritäten?
Gottes Segen und bis zum nächsten Mal
Euer Daniel
Foto von Mel Lituañas auf Unsplash
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