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AutorenbildLea

Unter Druck

„Good things come to those who hustle” – als ich am Samstag auf dem Weg in den Supermarkt war, ging vor mir eine Frau mit dieser Aufschrift auf ihrem Shirt. Und sie ist nicht die einzige, die heutzutage ihr Leben nach diesem Motto lebt.


Die sogenannte „Hustle Culture“ basiert im Grunde auf der Leitidee, dass harte Arbeit mit Erfolg belohnt wird. Diese Idee wird jedoch überspitzt: Wer nicht leidet, arbeitet nicht hart genug und hat deswegen auch keinen Erfolg verdient. Extrem harte Arbeit und der dazugehörige Stress werden geradezu glorifiziert. Wer keinen Stress hat, ist faul.


Auch mein Umfeld ist geprägt von diesen Idealen. Auf der Arbeit werden die Kollegen belächelt, die keine Überstunden machen. Man ist von einem widersinnigen Stolz erfüllt, wenn man gestern der Letzte im Büro war. Ich gehöre zu den wenigen Personen, die überhaupt eine richtige Mittagspause machen. Die meisten essen nebenbei, während sie fleißig weiter auf die Tastatur einhämmern, damit sie, wenn die letzten Krümmel von ihrem Butterbrot verschwunden sind, möglichst schon das nächste To-Do abhaken können.


In meinem Master-Studiengang werden wir regelmäßig daran erinnert, dass es in unserem Feld später ganz normal ist, mehr als 40 Stunden in der Woche zu arbeiten. Und die meisten nutzen das Studium schon dafür, sich an dieses Arbeitspensum zu gewöhnen. Studierende, die weniger als 20 Stunden in der Woche arbeiten oder sogar gar keinen Nebenjob haben, werden belächelt. Das Wort „Vollzeitstudium“ ist ein Fremdwort.




Höher, schneller, weiter


Wahrscheinlich ist euch mittlerweile schon klar, dass ich nicht denke, dass die beschriebene Einstellung gegenüber Arbeit und Stress gut oder gesund ist. Im Grunde kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Worüber ich aber noch vielmehr den Kopf schütteln muss, ist, dass ich selber oft haargenau so denke. Zu gerne würde ich behaupten, dass die Leistungsgesellschaft und ich friedlich koexistieren, aber nichts miteinander zu tun haben. Das könnte leider nicht weiter entfernt von der Realität sein.


Aber warum setzen wir uns selbst Maßstäbe, die uns auf Dauer nur auslaugen oder im schlimmsten Fall krank machen? Die Leistungsgesellschaft bringt uns bei, dass wir umgeben sind von Richtern und Rivalen. Die Menschen um uns herum sind entweder dazu da, uns zu beurteilen, oder sie stehen mit uns im Wettbewerb. Wenn wir vor unseren Richtern bestehen wollen, müssen wir unsere Rivalen hinter uns lassen. Das Motto „höher, schneller, weiter“ wird zu unserem Maßstab und unser Selbstwert hängt sich immer mehr an unsere Leistungen.


Ich kann mich noch lebhaft an eine Vorlesung in meinem ersten Bachelor-Semester erinnern, in der unser Professor uns davor warnte, unseren Kommilitonen beim Lernen unter die Arme zu greifen: „Das sind die Personen, die Ihnen später den Job wegnehmen!“ Das war die erste Veranstaltung, die wir in dem Modul hatten. Unser Studium hatte gerade erst begonnen. Und ich konnte nur daran denken, dass ich meine neu gewonnenen Freunde nicht als meine Konkurrenten betrachten wollte.



Die Alternative


Wie kommen wir nun wieder heraus aus dieser Denkweise? Die gute Nachricht ist, dass uns Gott eine Alternative anbietet:

„Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ (Matthäus 11, 28 – 30)

Bei Gott gibt es keine Leistungsgesellschaft. Er erleichtert unsere Last, anstatt uns mit noch mehr zu beladen. Die einzigen Richter, vor denen wir bestehen müssen, sind Gott und Jesus. Und vor ihnen bestehen wir nicht, indem wir besser sind als unsere Mitmenschen. Der Wettbewerb mit anderen Menschen führt vor Gott nirgendwohin.

„Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist. […] Wo bleibt nun der Ruhm? Er ist ausgeschlossen. Durch was für ein Gesetz? Der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.“ (Römer 3, 23 – 27)

Anhand unserer Werke könnten wir nie vor Gott bestehen. Dabei ist auch vollkommen egal, wie groß sie im Vergleich zu den Werken unserer Mitmenschen sind. Auch „höher, schneller, weiter“ wäre nie hoch genug, schnell genug oder weit genug, um uns unsere Errettung zu erarbeiten.


Das klingt vielleicht auf den ersten Blick entmutigend – muss es aber nicht. Denn Gott hat für uns einen Ausweg parat. In der Stelle oben hat Paulus es schon beschrieben: Dieser Ausweg heißt Gnade und die gibt es ganz umsonst. Durch seine Gnade sind wir in Gottes Augen gut genug. Ganz unabhängig davon, welchen Platz wir im Wettrennen mit den anderen belegen würden.



Mit Gottes Maßstab messen


Gottes Gnade funktioniert als Maßstab ganz anders, als der Leistungsdruck, dem wir in der Gesellschaft ausgesetzt sind. Unsere Aufgabe besteht nun darin, mit Gottes Maßstab zu messen und nicht mehr den Maßstab der Welt anzulegen. Das gilt nicht nur anderen gegenüber, sondern auch uns selbst gegenüber.


Zu oft neigen wir dazu, uns selbst wieder ein schwereres Joch aufzuerlegen, als das, von dem Jesus gesprochen hat. Und dieses Joch wieder abzulegen fällt gar nicht so leicht. Vor allem, wenn die Welt uns sagt, dass wir bessere Menschen sind, wenn unser Joch schwerer ist. Trotzdem sollten wir das nicht als Ausrede benutzen. Ja, wir leben inmitten der Leistungsgesellschaft, aber die anderen sind nicht diejenigen, die mir das Joch auflegen. Diese Entscheidung treffe ich selber.


Also legen wir das leichte oder das schwere Joch an? Messen wir mit Gottes Maßstab oder mit dem Maßstab der Welt?


Ich möchte euch (und mich) heute ermuntern, immer wieder zu hinterfragen, mit welchem Maßstab wir gerade messen und uns bewusst dazu zu entscheiden, Gottes Maßstab anzulegen. Denn nach Gottes Maßstab ist es in Ordnung, wenn es uns zu viel wird. Es ist in Ordnung, eine niedrigere Belastungsgrenze als andere zu haben. Wir dürfen umdrehen, wenn wir an unsere Grenzen stoßen, anstatt immer noch einen Schritt weitergehen zu wollen.


Auch das ist Teil von Gottes Gnade: Als seine Kinder dürfen wir uns lossagen von dem Maßstab der Welt und dürfen uns voll und ganz Gottes Maßstab unterwerfen. Wir müssen nicht noch mehr schaffen. Wir müssen nicht noch besser, erfolgreicher und leistungsfähiger werden. Gott liebt uns so, wie wir heute sind. Nicht erst morgen oder nächstes Jahr, wenn wir den nächsten Meilenstein erreicht haben.


Und was für Gott genug ist, sollte auch für uns genug sein.



Bis zum nächsten Mal!

Eure Lea

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