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AutorenbildDaniel

Sonne nach dem Regen

Manchmal ist einfach alles zu viel. Morgens erst mal aufstehen. Ich stehe gerne früh auf (auch wenn es nicht immer leichtfällt), so komme ich früh zur Arbeit. Bis ich dort ankomme, bin ich jedoch nicht für viel zu gebrauchen. Wenn ich es schaffe, früh dort zu sein, kann ich auch früh wieder nach Hause. Zu Hause kurz aufs Sofa legen, dann ein bisschen mit den Kindern spielen. Meine Frau kümmert sich währenddessen schon ums Abendessen. Mit zwei kleinen Kindern isst man nicht allzu spät. Nach dem Essen ist dann auch schon Zeit fürs Bett – zumindest für die Kleinen. Aber auch für mich sollte es nicht allzu spät werden – ich will ja morgen wieder früh raus.


Je nachdem, wer oder in welcher Kombination wir die Kinder ins Bett bringen, hat ein Elternteil etwas Freizeit. Oder aber man geht zum Sport. Das soll man ja machen – für den Ausgleich. Gerne auch mehrmals in der Woche. Einmal pro Woche versucht man auch mal ein paar Freunde zu treffen. Die haben zum Teil auch Kinder, daher geht das nur von extra frühem Feierabend bis kurz nach dem Abendessen. Früher beim Kindergeburtstag kam einem das noch vor wie eine ganze Woche Ferien. Heute fährt man, kaum ist man angekommen, gefühlt schon wieder los. Und das geht sowieso nur, wenn man nicht ab und zu auch mal einen Arzttermin mitten am Tag hat, der den frühen Feierabend unmöglich macht.


Dann gibt es immer donnerstags einen Abend-Online-Hauskreis und natürlich den Sonntagmorgen mit der Gemeinde – Lichtblicke in der Woche! Aber eben auch wieder Termine. Bleibt meist noch der Samstag zur freien Verfügung … wäre da nicht eine Wohnung, die aufgeräumt oder eine Steuererklärung, die gemacht werden oder ab und zu mal eine neue Hose oder ein neues Paar Schuhe, das gekauft werden will. Und schon ist die Woche rum und es geht wieder von vorne los.


Wo war jetzt Zeit für Gott? Natürlich donnerstags bei Zoom und am Sonntag. Das ist mal super erbauend, ein anderes Mal spricht es mich aber auch eher weniger an. Wo ist also die Zeit allein zwischen mir und Gott? Die Zeit, wo ich meine Themen mit Gott bereden kann? Wo ist die Zeit, in der Bibel zu lesen? Oder Dinge für Gott zu erledigen? Das kann zum Beispiel eine E-Mail-Anfrage über die Gemeinde-Website sein, die länger liegen bleibt als sie sollte. Oder eine „XY hat mir nach der letzten Freizeit seine Nummer gegeben und würde gerne in Kontakt bleiben. Willst du dich da mal melden?“-Anfrage per WhatsApp.


Natürlich ist es nie so, dass gar keine Zeit für all das wäre. Es ist vor allem eine Frage von Prioritäten. Aber es ist auch oft eine psychologische Sache. Gerade in letzter Zeit ist es mir öfter so gegangen, dass ich einen freien Zeit-Slot habe kommen sehen, dann aber durch das Wissen, dass er nur kurz sein würde, erst gar nicht die Motivation gefunden habe, irgendeine Aufgabe anzugehen. Und so habe ich dann selbst die freie Zeit, die es gab, einfach verstreichen lassen. Davon war ich weder wirklich erholt, noch habe ich etwas geschafft. Und vor allem habe ich sehr wenig Zeit mit oder für Gott verbracht.


Mir geht es so: Je weniger Zeit ich mit Gott verbringe, desto ferner scheint er mir. Ich denke das ist ganz normal. Würde ich wenig Zeit mit meiner Frau verbringen, würde sie mir sicher auch fremd werden. Aber es ist schon ein fieser Teufelskreis, in den ich mich da bringe: Verbringe ich wenig Zeit mit Gott, wird er mir fremd. Ist er mir fremd, geht es mir nicht gut. Wenn es mir nicht gut geht, fange ich an zu Grübeln und fühle mich antriebslos. Wenn ich mich antriebslos fühle, habe ich keinen Elan meine Bibel in die Hand zu nehmen oder zu beten. Und schon fängt alles von vorne an.


Damit sind wir an einem Punkt angekommen, an dem ich vor ein paar Tagen war. Ich fühlte mich gestresst, lustlos und zudem hatte ich auch noch mehrere Gemeindeaufgaben schon einige Tage vor mir hergeschoben. Das lief so vor sich hin bis zu dem Punkt, an dem ich zum Glück einmal ganz rational geworden bin und mir selbst gesagt habe: Wenn du jetzt nicht einfach mal anfängst, irgendeine Sache anzugehen, dann wirst du dich für immer in diesem trüben, grauen Kreis drehen. Und wenn du jetzt schon irgendetwas anfängst, dann mach auch gleich was für Gott. Das ist wichtig und gut. Also habe ich etwas widerwillig mein Handy genommen und WhatsApp geöffnet.


Da war doch diese Anfrage. Jemand, den ich auf der letzten Gemeindefreizeit kennengelernt hatte, hatte mir seine Nummer zukommen lassen und wartete nun darauf, dass ich mich meldete. Aber was sollte ich schreiben? Eigentlich hatte ich ja gar keine Lust irgendetwas zu schreiben. Gleichzeitig wollte ich mich aber auch melden, weil es sich einfach richtig anfühlte und alles andere zudem sehr unhöflich gewesen wäre.


Ich schrieb also zunächst einmal eine Begrüßung und fragte, was seit unserem Treffen vor ein paar Wochen so passiert sei. Das war zwar eine relativ oberflächliche Floskel und brauchte nicht viel Hirnschmalz (der Schweinehund zog noch ziemlich stark an der Leine), aber es interessierte mich tatsächlich auch ein wenig. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Es waren einige sehr spannende und eher positive Dinge geschehen, aber leider auch einige sehr unschöne.


Was sollte ich nun tun? Ich bin generell niemand, der gut darin ist, die richtigen Worte zu finden, wenn es anderen nicht gut geht. Ist einfach nicht meine Stärke. Zudem hing immer noch zum Teil diese graue Regenwolke über mir und eigentlich hatte ich mich doch bloß selbst in den Hintern treten wollen und nur deshalb überhaupt geschrieben. Und nun hatte ich das Gefühl, etwas richtig Tiefgründiges schreiben zu müssen – schon wieder eine große Aufgabe und sehr wenig innerer Antrieb sie anzugehen.


Aber ich wollte ja etwas ändern! Ich wollte ja raus aus diesem Loch und ich hatte schon den ersten Schritt getan, also konnte ich jetzt nicht gleich wieder aufgeben. In diesen Momenten bin ich manchmal froh, dass sich der rationale Teil meines Gehirns durchsetzen kann gegen die auch sehr starke Faulheit. Ich wollte also unbedingt antworten. Nur was? Es musste etwas Aufbauendes sein, etwas Verständnisvolles, aber auch etwas mit Inhalt und Hand und Fuß. Ich wusste: Wenn ich zu lange darüber nachdenken würde, dann würde sich diese Aufgabe schon wieder wie eine riesige Welle vor mit auftürmen und mich komplett verschlingen.


Also schrieb ich einfach drauf los. Einfach anfangen war das Richtige! Bloß nicht wieder entmutigen lassen. Ich wollte das jetzt durchziehen, vor allem für Gott, mit dem ich mich in letzter Zeit so wenig beschäftigt hatte. Ich hatte das Gefühl, dass er mir diese Aufgabe hatte zukommen lassen. Also wollte ich sie jetzt auch angehen und ihm eine Freude machen. Egal, wie schwierig es schien. Es war besser, irgendwas zu schreiben als nichts. Ich schrieb also das Erste, was mir in den Kopf kam. Es wurde immer mehr. Dann drückte ich auf "Senden".


Ein komisches Gefühl. War das jetzt gut gewesen, was ich geschrieben hatte? Hatte ich Dinge geschrieben, die mein Gegenüber seltsam fand? Oder vielleicht sogar etwas, mit dem er überhaupt nicht einverstanden war? Natürlich war es auch um Glaubensthemen gegangen, und da wir uns noch nicht sehr lange kannten, war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich ihm vielleicht, ohne es zu merken, total auf die Füße getreten war, mit Aussagen, denen er gar nicht zustimmen konnte.



Dann plötzlich vibrierte mein Handy. Ich zog es aus der Tasche, entsperrte den Bildschirm (der Chat war noch offen) und las:

„Du weißt gar nicht, wie du mich grad aufgebaut hast :) vielen Dank für dein Schreiben.“

Wow! Sofort kam unwillkürlich ein breites Lächeln auf mein Gesicht. Was für eine Geschichte. Offenbar hatte Gott mich gerade benutzt, um jemanden aufzubauen, der es brauchte. Mich, der sich kaum durchringen konnte, überhaupt diese Unterhaltung zu beginnen. Mich, der diese Aufgabe schon mehrere Tage vor sich hergeschoben hatte und sich eigentlich gewünscht hatte, neben allem anderen nicht auch noch dieses To-Do im Nacken zu haben. Das, was ich mit Mühe und ohne jede Planung spontan in mein Handy getippt hatte, war genau das, was jemand gerade gebraucht hatte. Es hatte sich gut und richtig angefühlt, endlich aus dem Quark zu kommen und es einfach zu tun – und offenbar war es auch genau das Richtige!


Seit diesem Moment vor ein paar Tagen ist die graue Regenwolke wieder verschwunden. Ich habe mich endlich durchgerungen, mal wieder etwas für und mit Gott zu tun, und sofort hat es mir ein großes Lächeln ins Gesicht gezaubert! Indem ich meinen Schweinehund überwunden habe, hat Gott durch mich jemanden erbaut – so was erlebt man nur mit Gott! Es ist für mich mal wieder ein Beispiel für:

„Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit! Und dies alles wird euch hinzugefügt werden.“ (Matthäus 6,33)

Es scheint so unglaublich unlogisch, dass ich nicht an mich denke und am Ende doch davon profitiere! Aber so wirkt Liebe. So ist Gott!


Hätte ich weiter nur über mich selbst nachgedacht und mich bemitleidet für die ganze Zeit, die ich nicht habe und die vielen Aufgaben und und und, dann säße ich heute sicher noch im Regen unter meiner kleinen Wolke und nichts wäre auch nur ein My besser als vor einer Woche. Aber weil ich einfach angefangen habe, etwas für Gott zu tun und nicht für mich selbst, habe ich nicht nur jemand anderem, sondern auch mir selbst geholfen. Und schon ist die Trübsal verflogen und die Motivation zurück. Und auch die Freude an Gott. Einfach verrückt!


Ich hoffe, ihr könnt ein bisschen nachempfinden, was für eine starke Situation das war. Ich hatte sehr deutlich das Gefühl, dass Gott mich, im übertragenen Sinn, mit erhobenen Augenbrauen und leicht zur Seite geneigtem Kopf ansieht und zu mir sagt: „Siehste?“. Während ich das hier schreibe, muss ich schon wieder grinsen 😊 Und ich hoffe, ihr jetzt auch. Manchmal wartet man auf die großen, alles verändernden Wunder, die einem wieder aus dem tiefen Loch helfen. Aber wie mein Vater früher oft gesagt hat: Wenn du im tiefen Loch festsitzt aber deinen Arm nicht ausstreckst, dann kann Gott dich auch nicht von oben greifen und rausziehen. Und so ist es manchmal schon ein mini-kleiner Schritt auf Gott zu, ein klitzekleiner Moment mit Gott, der den großen Unterschied macht und die Sonne wieder scheinen lässt.


Gottes Segen und bis zum nächsten Mal!

Euer Daniel


Photo by Thom Holmes on Unsplash

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