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Merkwürdig

  • Autorenbild: Daniel
    Daniel
  • vor 5 Tagen
  • 7 Min. Lesezeit

Wann habt ihr euch das letzte Mal so richtig merkwürdig verhalten? Habt ihr kürzlich mal unter der Dusche ein fiktives Fernsehinterview mit euch selbst als Promi geführt? Oder beim Fernsehen die Lautstärke nur in Zweierschritten verstellt, damit sie bloß keinen ungeraden Wert hat? Oder habt ihr voller Inbrunst laut einen Songtext falsch mitgesungen, obwohl ihr inzwischen wisst, dass ihr die einzigen seid, die ihn je so verstanden haben? Wenn ja, dann seid ihr mindestens so merkwürdig wie ich. Herzlichen Glückwunsch! Aber ist das eigentlich merkwürdig genug?

 

Im ersten Moment klingt die Frage vielleicht komisch. Meist fühlt es sich ja eher falsch als richtig an „merkwürdig“ zu sein. Ich muss bei mir selbst feststellen, dass ich mich des Öfteren reichlich merkwürdig verhalte. Wenn ich mich dabei ertappe, ist es mir oft unangenehm und ich hoffe im Stillen, dass es niemand sonst mitbekommen hat. Vielleicht geht es euch ähnlich. Aber was, wenn merkwürdig sein nicht nur etwas ist, wofür man sich schämen muss, sondern sogar eine Art viel zu selten genutzte Super-Power für die Verkündigung?

 


Klar, einfach nur merkwürdig zu sein im Sinne von komisch, befremdlich oder peinlich, ist zwar einerseits nichts Schlimmes aber andererseits auch nichts besonders Erstrebenswertes. Es gibt jedoch noch eine andere Art merkwürdig zu sein oder merkwürdige Dinge zu tun. Ich spreche von merkwürdig im ursprünglichen Sinn des Wortes: des Bemerkens würdig, und zwar indem es positiv heraussticht und angenehm auffällt. Zu dieser Art von merkwürdigem Verhalten bin ich als Christ sogar explizit aufgerufen:

„Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht eine Lampe an und setzt sie unter den Scheffel, sondern auf das Lampengestell, und sie leuchtet allen, die im Hause sind. So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen.“ (Matthäus 5,14-16)
„Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, dass ihr prüft, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ (Römer 12,2)

Auffallen und anders sein ist ausdrücklich erwünscht! Als Christen tun wir aus Überzeugung Gutes und streuen Nächstenliebe und genauso soll es sein. Wenn Menschen uns im Alltag begegnen, dann sollten sie im besten Fall allein an unserem liebevollen Verhalten schon Vieles über unseren Glauben erfahren. Aber klappt das immer?


Oft bin ich ehrlich gesagt deprimiert, weil ich feststelle: Ich bin keine leuchtende Stadt auf einem Berg, die von weitem schon durch ihren Glanz hervorsticht. Wenn überhaupt, dann bin ich eine von sehr vielen Städten auf sehr vielen Bergen, die alle sehr hell leuchten und viele davon sogar noch deutlich heller als ich. Und bei weitem nicht alle davon folgen Jesus nach.

 

Besonders deutlich wird das, wenn ich von Nicht-Christen gefragt werde, warum ich ausgerechnet die Moral und Ethik Jesu für nachahmenswert halte. Tun denn nicht auch eine Menge Leute gute Werke, ohne sich dabei auf Jesus oder Gott zu berufen? Meine Antwort lautet: Definitiv ja! Wenn wir also als Christen mit unserem Bestreben, Gutes zu tun, kaum besonders auffallen, haben wir dann nicht unsere von Jesus erteilte Mission verfehlt? Und zeigt das dann nicht, dass der christliche Glaube eigentlich kaum etwas Besonderes zur Welt beizusteuern hat?

 

Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen: Ja, viele Leute tun auch ohne Glauben sehr gute und absolut lobenswerte Dinge. Und diese guten Dinge sind keineswegs weniger wert, weil sie nicht im Glauben geschehen. Aber bei genauerem Hinsehen fällt mir auf, dass es dabei doch oft eine gewissen Grenze gibt, ein „bis hierher und nicht weiter“. Und diese Grenze liegt dort, wo es merkwürdig wird.

 

Was meine ich damit? Ich glaube, was einen Christen auszeichnen kann in seiner Nächstenliebe und seinem Eifer für das Gute ist, dass wir so weit gehen können, dass es wirklich unangenehm wird; so weit, dass wir für eine gute Sache unseren Status aufs Spiel setzen, uns der Lächerlichkeit preisgeben oder sogar körperlichen Schaden riskieren. Mit anderen Worten: Uns in den Augen der meisten Menschen sehr merkwürdig verhalten – in beiden zuvor genannten Sinnen! Das ist möglich, weil wir ein einzigartiges (emotionales, soziales, physisches, …) Sicherheitsnetz haben: unseren liebenden Vater und unseren mitfühlenden Bruder Jesus.

„Gott ist uns Zuflucht und Stärke, ein Helfer in Zeiten der Not. Darum fürchten wir uns nicht, wenn auch die Erde erbebt, wenn Berge versinken ins Meer,“ (Psalm 46,2-3)
„Wer unter dem Schutz des Höchsten bleibt, unter dem Schatten des Allmächtigen wohnt, der sagt zu Jahwe: "Du bist meine Zuflucht, meine sichere Burg, du bist mein Gott, auf den ich vertraue.“ (Psalm 91,1-2)
„Kommt alle zu mir, die ihr geplagt und mit Lasten beschwert seid! Bei mir erholt ihr euch. Unterstellt euch mir und lernt von mir! Denn ich bin freundlich und von Herzen zum Dienen bereit. Dann kommt Ruhe in euer Leben. Denn mein Joch trägt sich gut und meine Last ist leicht.“ (Matthäus 11,28-30)
„Und ich werde den Vater bitten, dass er euch an meiner Stelle einen anderen Beistand gibt, der für immer bei euch bleibt. Das ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht bekommen kann, weil sie ihn nicht sieht und ihn nicht kennt. Aber ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.“ (Johannes 14,16-17)

Vielleicht kann das den Unterschied machen: „Die Welt“ (also in diesem Fall alle, die ohne Gott und Jesus im Rücken sehr gute und lobenswerte Dinge tun) kennt den Beistand nicht, der es dem Christen erlaubt, so konsequent Gutes zu tun, dass er selbst riskieren kann, daran zu zerbrechen – und trotzdem weiter macht, weil er Trost und Kraft bei Gott findet.

 

Das klingt erst mal sehr theoretisch, groß und abstrakt, daher hier ein Beispiel, um zu verdeutlichen, was ich meine: Teile ich nur so viel von meinem Reichtum mit anderen, dass ich meinen Lebensstandard weiter halten kann, oder gehe ich darüber hinaus, wie die Witwe aus Markus 12, die ihr letztes Geld spendet, und dabei darauf vertraut, dass sie trotzdem auf eine ohne Glauben unerklärliche Weise weiter getragen und versorgt wird?

 

Vielleicht sind für euch ganz andere Beispiele relevant. Vielleicht lebt ihr in Situationen, wo es schlimme Konsequenzen hätte, sich öffentlich für eine gute Sache auszusprechen. Oder ihr fragt euch, ob ihr euch trauen könnt, euch vor aller Augen diesem einen Mitschüler in den Weg zu stellen, der einen anderen so sehr mobbt, dass er kaum noch zur Schule kommen will – selbst wenn es alle anderen für ausgesprochen dumm halten würden, genau das zu tun.

 

All das wäre wirklich merkwürdig! Es wären merkwürdig gute Taten, weit über das hinaus, was manch anderer tun würde, der dann doch nicht ganz so weit aus seiner Komfortzone herausgehen möchte. Gleichzeitig wären es sehr merkwürdige Taten, weil kaum jemand sonst sich so seltsam und vermeintlich dumm verhalten würde.

 

All das soll keinesfalls heißen, dass nur Christen derart weit gehen würden. Es gibt genug Beispiele für absolut selbstlose und liebevolle Taten von Nicht-Christen, denen ich hier nichts absprechen möchte. Ich habe lediglich in meinem eigenen Umfeld des Öfteren erlebt, dass Liebe, Respekt, Hilfe und weitere gute Dinge laut proklamiert und auch gelebt wurden, jedoch nur bis zu einer gewissen Grenze. Darüber hinaus wurde oft nicht die extra Meile gegangen. Dort war man nicht bereit, wirklich merkwürdig zu sein.

 

Ich will ehrlich sein: Als Christ ist es natürlich mein Bestreben, durch die Sicherheit meines Glaubens Dinge zu tun, die wirklich konsequent und bis ins Letzte gut sind – koste es was es wolle. Das heißt aber natürlich nicht, dass ich auch immer so lebe. Ich würde sogar sagen: Ich tu es viel zu selten. Und deshalb jetzt zum Schluss für euch und für mich noch ein paar ermutigende Beispiele von Menschen in der Bibel, die sehr merkwürdige Dinge getan haben, die aber gleichzeitig im positiven Sinne absolut bemerkenswert waren und von ihrem Glauben oder ihrem starken, liebevollen Charakter gezeugt haben:

 

  • In Johannes 4 lesen wir von Jesus, einem jüdischen Mann, der ganz allein mit einer samaritischen Frau gesprochen hat – absolut merkwürdig, wo sie doch eine Frau war und dazu auch noch aus dem verfeindeten Samaria kam! Wer tut denn so was?!


  • In Lukas 19 lesen wir von Zachäus, einem „Oberzöllner“ mit hohem sozialen Stand, der sich absolut merkwürdig verhalten hat, als er an einer Menschenmenge vorbeigerannt und auf einen Baum geklettert ist, nur um Jesus zu sehen – so etwas Kindisches war für einen Mann seines Standes unerhört! Wer tut denn so was?!


  • In Apostelgeschichte 5 lesen wir von Petrus und Johannes, die freudestrahlend den Hohen Rat verlassen, in dem sie soeben für ihren Glauben ausgepeitscht wurden – mit einer unverständlichen und hochgradig merkwürdigen Freude darüber, für ihr Festhalten an der frohen Botschaft auf makabere Art gewürdigt worden zu sein. Wer tut denn so was?!


  • Nicht zuletzt lesen wir in Lukas 15 über Gott selbst, der sich über die maßen merkwürdig verhält, als er im Gleichnis als Vater seinen verloren geglaubten Sohn nicht nur wieder aufnimmt, sondern ihm auch noch mit offenen Armen entgegenrennt, als er ihn in der Ferne sieht – als ehrenvoller und in seiner Würde verletzter Patriarch der Antike unvorstellbar! Wer tut denn so was?!


Es gäbe noch so viele absolut merkwürdige Begebenheiten aufzuzählen! Wichtig finde ich dabei, dass all diese Begebenheiten nicht nur merkwürdig im Sinne von bemerkenswert waren, sondern gleichzeitig für Außenstehende auch gehörig merkwürdig im Sinne von „zum Kopf schütteln“. Ich denke, die Botschaft ist klar: Es kann sich lohnen, merkwürdig zu sein! Wenn es aus bester Absicht und der richtigen Motivation geschieht, kann gerade das oft so unangenehme „Merkwürdig-Sein“ den Unterschied machen zwischen dem Erfüllen des Solls und der christlichen Extra-Meile, die positiv auffällt. Und weil es oft so schwer ist, diese Extra-Meile zu gehen, können wir durch unser Gottvertrauen doch noch ab und zu die etwas heller strahlende Stadt sein und zeigen, dass vielleicht doch was dran ist an diesem merkwürdigen Glauben …

 

In diesem Sinne: Lasst uns öfter merkwürdig sein – im besten Sinne! 😉

 

Gottes Segen und bis zum nächsten Mal

Euer Daniel

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