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  • AutorenbildPeter

Mein Dilemma mit den Menschen

In den letzten Wochen war ich krankheitsbedingt an das zu Hause gefesselt. Weil die Kraft eigentlich schon nach dem Aufstehen verbraucht war, konnte ich den lieben langen Tag nicht viel mehr tun, als zwischen Couch und Fernsehsessel zu wechseln. Selbst Lesen war meistens zu anstrengend. So blieb mir nicht mehr, als den Fernseher einzuschalten und – wie ich es am liebsten mag – Dokus zu allen möglichen Themen anzusehen.


Die Wochen füllten sich also mit Dokus zum Zustand des Waldes, eigentlich besser zu bezeichnen als schnellwachsende Holzplantagen, und den Folgen der Monokulturen, der Übernutzung von Ackerflächen für Tierfutter statt zur Ernährung der Menschen, dem Ausverkauf Afrikas an China und Russland, die dort riesige Agrarflächen für den Anbau von Getreide für ihre eigene Bevölkerung nutzen und längst für kleines Geld die Rechte an immensen Rohstoffvorkommen gesichert haben. Eine Doku zum Ausverkauf von Grundwasserrechten an internationale Konzerne, die dann das eigentlich frei verfügbare Trinkwasser zum 10.000fachen Preis in Plastikflaschen verkaufen, während den Bauern das Wasser für die Felder fehlt. Eine Doku über Digitalisierung und E-Mobilität und die menschenverachtenden Zustände unter denen Kinder die dafür notwendigen seltenen Erden abbauen müssen, eine weitere über die Ausmaße, die Plastikinseln in den Weltmeeren bereits erreicht haben, über das „Plastikmeer“ in Spanien, wo unter Hunderten von Quadratkilometern Plastikfolie das Gemüse und Obst angebaut und von modernen Sklaven geerntet wird, damit wir im Supermarkt zu jeder Jahreszeit immer die volle Auswahl an Obst und Gemüse haben und nie auf etwas verzichten müssen. Und dann war da noch das Thema „Fastfashion“. Wieder sind zum größten Teil Kinder, die unter menschenunwürdigen Bedingungen, ständig einem bedrohlichen Mix aus Chemikalien ausgesetzt, das billig produzieren, was wir nach Umfragen nach 3-5 mal Tragen auf den Müll werfen.


Ich könnte diese Aufzählung wahrscheinlich noch lange weiterführen (Kriege und andere Katastrophen nicht mal erwähnt). Bei all dem hat sich für mich ein Begriff ins Gedächtnis eingebrannt:


G I E R !


Gier nach Reichtum, Gier nach Profit, Gier nach Macht, Gier nach Anerkennung, …


Mehr ist immer besser!


Eine gute Definition von Gier lautet: „Gier ist maßloses Verlangen, der ungezügelte und ungehemmte Wunsch nach immer mehr, der irgendwann selbst vor moralischen und gesetzlichen Grenzen keinen Halt mehr macht. Gierige Menschen sind bereit, sich auf Kosten anderer zu bereichern und den eigenen Vorteil über alles andere zu stellen."

Nach biblischem Maßstab klingt das so:

"Und der HERR sah, dass die Bosheit des Menschen auf der Erde groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag. … Die Erde aber war verdorben vor Gott, und die Erde war erfüllt mit Gewalttat." (1. Mose 6,5+11)

Da hat sich wohl nichts geändert!


Und wenn ich mich ehrlich mache, muss ich zugeben, dass auch ich (wie wir alle hier im Wohlstands-Westen) mit schuldig bin an all dem. Auch ich besitze ein Notebook, ein Tablet, einen PC, ein Handy, ein Smart-TV, fahre einen Plug-in Hybrid mit großer Batterie, esse gerne zu jeder Jahreszeit Ananas, Paprika, Tomaten, Kiwis, nutze die Bequemlichkeit von Amazon, fahre mit dem Auto zum Brötchen holen, esse gerne Fleisch und Käse und achte beim Kleiderkauf sicher nicht auf irgendein Öko- oder Fairtrade Label und habe auch noch nie eine Gehaltserhöhung abgelehnt (mehr ist immer besser). Mit diesem Blick auf die Menschheit bleibt mir nur ein Fazit:


Ich mag sie nicht, die Menschen!


Und dann kommt Jesus und sagt zu mir:

"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" (Markus 12,31)

Versteht ihr mein Dilemma?



Zum Glück gibt es aber eine andere Ebene, um Menschen zu begegnen. Die persönliche Beziehung und Begegnung mit einzelnen Menschen. Betrachte ich meine Familie, meine Glaubensgeschwister, Freunde, Arbeitskollegen, also einzelne Menschen, die mir nahe sind, ergibt sich erstaunlicherweise ein ganz anderes Bild. Vielleicht spricht Jesu Gebot ja deshalb so explizit von meinem Nächsten?


Hier finde ich den Ansatz, den Wunsch nach und das Interesse an Beziehung, an der bewussten Entscheidung, mich um das Wohl des anderen zu sorgen. Anteil zu nehmen an dem Leben der Anderen. Da kehrt sich die Gier um in das genaue Gegenteil: das Verlangen, das Wohl des anderen über den eigenen Vorteil zu stellen.


Ich bin immer wieder erstaunt, bei mir selbst mit zunehmendem Alter festzustellen, dass Menschen beginnen, mich zu interessieren. Mehr und mehr bin ich bereit, hinter die Fassade zu schauen, die Schubladen zu öffnen, in die ich die Menschen längst sortiert hatte und zu begreifen, dass wohl jeder von uns sein Päckchen zu tragen hat, bei dem er vielleicht Hilfe braucht. Nicht, dass mir all das so einfach gelingt, wie es sich hier schreibt, aber es fühlt sich gut an, auf diesem Weg weiter zu lernen. Und dabei ist es wunderbar, in unserem Herrn Jesus einen Lehrer zu haben, der uns durch sein vollkommen selbstloses Leben ein perfektes Beispiel gegeben hat.


So manches Mal habe ich beim Lesen in der Bibel den Eindruck, dass Gott in dem gleichen Dilemma steckt, das auch mich umtreibt. Gerade in den letzten Wochen war der Prophet Jeremia Teil unserer Tageslese und dort ist mir das Kapitel 14 besonders in Erinnerung geblieben. Hier lesen wir in den Versen 11 und 12 sowie weiter am Beginn von Kapitel 15, nachdem die Israeliten wieder und wieder ihrem Gott den Rücken zugekehrt hatten:

"Und der HERR sprach zu mir: Du sollst für dieses Volk nicht bitten, dass es ihm gut gehe! Denn wenn sie schon fasten, so höre ich doch nicht auf ihr Flehen; und wenn sie schon Brandopfer und Speisopfer darbringen, so habe ich kein Wohlgefallen daran; sondern mit dem Schwerte, mit Hunger und Pestilenz will ich sie aufreiben. … Wenn gleich Mose und Samuel vor mir stünden, so wollte ich doch mein Herz diesem Volk nicht zuwenden. Treibe sie fort von meinem Angesicht, sie sollen gehen!" (Jeremia 14,11+12; 15,1)

Ist dieser Zorn nicht geradezu nachvollziehbar nach so vielen Jahrhunderten des sich immerzu wiederholenden Abfalls. Jetzt reicht’s! Schluss ist! – Aber:


Inmitten dieses Abschnitts wird deutlich, wie sehr Gott mit dieser Entscheidung ringt, wie sehr er eben nicht ein gewalttätiger, gefühlloser Gott ist, sondern liebender Vater:

"Auch das sollst du ihnen sagen: Meine Augen zerfließen in Tränen Tag und Nacht, ohne Aufhören; denn schwer verwundet ist die Jungfrau, die Tochter meines Volkes, durch einen sehr gefährlichen Schlag." (Jeremia 14,17)

Beim Propheten Hosea zeigt sich unser himmlischer Vater noch deutlicher in seiner liebevoll vergebenden Fürsorge:

"Als Israel jung war, gewann ich es lieb, und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen. Und ich, ich lehrte Ephraim laufen, ich nahm sie immer wieder auf meine Arme, aber sie erkannten nicht, dass ich sie heilte. Mit menschlichen Tauen zog ich sie, mit Seilen der Liebe, und ich war ihnen wie solche, die das Joch auf ihren Kinnbacken anheben, und sanft zu ihm gab ich ihm zu essen. Wie sollte ich dich preisgeben, Ephraim, wie sollte ich dich ausliefern, Israel? Mein Herz kehrt sich in mir um, ganz und gar erregt ist all mein Mitleid. Nicht ausführen will ich die Glut meines Zornes, will nicht noch einmal Ephraim vernichten. Denn Gott bin ich und nicht ein Mensch, in deiner Mitte der Heilige: ich will nicht in Zornglut kommen." (Hosea 11, 1+3+4+8+9)

Ich habe mich bei den vielen Dokus über den Zustand der Menschheit und der Welt oft gefragt, wie es Gott eigentlich so lange mit uns aushält und ich bin froh, ihn als geduldigen, liebenden, vergebender Vater zu kennen, der uns auch heute noch in seinem Sohn jeden Tag seine liebende Hand zur Versöhnung entgegenstreckt.


Hallelujah! (Gelobt sei Jahweh, unser Gott) Euer Peter

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