Habe ich eine lebendige Beziehung mit Gott? Wie lebendig ist sie wirklich?
Diese Frage hat mich in der letzten Woche sehr beschäftigt. Ich bin seit 10 Jahren getauft, ich engagiere mich in meiner Gemeinde (wenn es denn mal was zu tun gibt), ich diskutiere gerne und mit Eifer über Glaubensthemen. Man könnte also erwarten, dass ich eine sehr gute Beziehung zu Gott habe.
Aber oft ist das nicht der Fall. Ich sage deshalb „oft“, weil es stark schwankt. Es gibt Zeiten, in denen ich mich Gott sehr nah fühle und auch ihn deutlich in meinem Leben spüre, aber es gibt leider auch andere Zeiten.
Wenn Gott sehr weit weg scheint, versinke ich manchmal in einer Spirale aus negativen Gedanken: Hat Gott mich vergessen? Hat er kein Interesse an mir? Warum zeigt er sich nicht? Wo ist er, wenn es mir nicht gut geht? Das geht manchmal so weit, dass ich mir die (rückblickend komplett unverhältnismäßige) Frage stelle: Wenn ich Gott überhaupt nicht spüre und er mir so fremd scheint … habe ich mir dann vielleicht immer nur eingebildet, dass es ihn wirklich gibt?
Und dann denke ich: Halt, Stopp! Sind die Fragen, die ich mir stelle, eigentlich fair? Wenn ich sie mir noch mal durch den Kopf gehen lasse, dann muss ich feststellen: Nein. Eigentlich sind meine Fragen alle nur Vorwürfe an Gott. Warum macht er nichts? Warum zieht er sich zurück? Warum zeigt er sich mir nicht deutlicher? Aber was ist denn eigentlich mit mir?
Was trage ich eigentlich zu unserer funktionierenden Beziehung bei? Selbst mit meinem nicht sehr ausgeprägten Halbwissen über die Psychologie von Beziehungen weiß ich: An einer Beziehung sind immer zwei beteiligt. Einer allein kann keine Beziehung haben. Und wenn von zweien nur einer Energie in die Beziehung steckt, wird es keine lebendige Beziehung geben. Wie man so schön sagt: Es gehören immer zwei dazu.
Wenn ich unsere Beziehung also fair evaluieren will, um herauszufinden, woran sie krankt, dann muss ich mich eigentlich fragen: Was investiert Gott in die Beziehung – und was investiere ich?
Gucken wir uns mal Gottes „Haben“-Seite an: Er hat die Welt geschaffen. Damit hat er auch den Grundstein dafür gelegt, dass ich überhaupt existiere. Er hat mir komplett unverdient angeboten, dass wir eine Beziehung führen können – ich und der Schöpfer des Alls! Er hat dafür eine Menge Kränkungen von meiner Seite eingesteckt und bewusst übersehen. Er hat mir durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch klar gemacht, dass er mein liebender Vater sein möchte und ich sein geliebter Sohn sein darf. Und um mir seine Liebe zu zeigen, hat er sogar in Kauf genommen, dass sein „leiblicher“, perfekter Sohn – derjenige Sohn, den man sich als Vater eigentlich wünscht – unter Qualen stirbt, um mich in die Familie zu holen.
Bleibt da noch irgendein „Soll“ bei Gott über?
Wenn wir uns hingegen mal meine „Haben“- und „Soll“-Seiten angucken, dann zeigt sich ein geringfügig anderes Bild: Ich mache ständig Ärger, benehme mich daneben und vor allem verletze ich Gott immer wieder – manchmal durch das, was ich tue, aber noch viel öfter durch das, was ich nicht tue.
Im Johannes-Evangelium benutzt Jesus ein schönes Bild für unsere Beziehung zu ihm und zu Gott:
„Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ (Johannes 14,23)
Aber wie sieht das in meinem Alltag aus? Sehr oft ist es, als ob ich Jesus und Gott hereinbitte, ihnen einen Platz auf dem Sofa anbiete … und dann weiter meinem Alltag nachgehe. Während sie dort auf meinem Sofa sitzen, gehe ich duschen, dann zum Schreibtisch, arbeite ein paar Stunden aus dem Home-Office, mache dann den Abwasch in der Küche, schaue einige Videos auf YouTube, entertaine die Kinder, gehe in die Stadt, um mich mit Freunden zu treffen, komme spät abends zurück, suche auf meinem Handy eine möglichst belanglose Serie bei Netflix raus, mache sie an, putze mir die Zähne, nehme das Handy mit ans Bett und schlafe irgendwann daneben ein.
Während dieser ganzen Zeit sitzen die beiden auf meinem Sofa, ich habe kein Wort mit ihnen gewechselt und ihnen nicht mal ein Glas Leitungswasser angeboten.
Natürlich ist dieser Vergleich bewusst überspitzt. Ich will weder sagen, dass irgendetwas von dem, was ich oben aufgezählt habe, per se schlecht ist oder mich von Gott trennt. Natürlich kann es im Einzelfall so sein, aber das ist sehr individuell und darum geht es mir an dieser Stelle nicht.
Was ich stattdessen merke, wenn ich mir dieses Szenario vorstelle, ist, dass so viele Dinge in meinem Leben ständig um meine Aufmerksamkeit kämpfen und mich fast komplett einnehmen. So sehr, dass ich mir viel zu selten Zeit für meine Gäste auf dem Sofa nehme.
Und was mich beim Nachsinnen über diesen Vergleich am meisten berührt, ist die absolut kindliche Erkenntnis: Auch Gott hat Gefühle. Es macht hier nicht mal Sinn, einzelne Bibelverse anzuführen, um das zu belegen – die ganze Bibel ist voll davon!
Gott ist nicht im Stand-By-Modus solange ich mich nicht mit ihm beschäftige. Er macht auch kein Nickerchen, bis ich endlich mal wieder Zeit für ihn habe. Er sitzt die ganze Zeit hellwach in meinem Wohnzimmer und möchte so gerne Zeit mit mir verbringen. Wie muss es sich anfühlen dort zu sitzen und zu warten und zu warten und zu warten und einfach nicht beachtet zu werden? Und wenn es mir schwerfällt, mir Gott so menschlich, so traurig, so verletzt vorzustellen, dann hat er auch dafür schon vor langer Zeit eine Lösung geschaffen: Jesus. Ein Mensch genau wie ich. Also kann ich auch einfach fragen: Wie würde ich mich fühlen?
Jetzt aber Schluss mit den bedrückenden Gedanken. Wie kann ich nun also etwas an der Situation ändern? Kann ich unnütze Dinge in meinem Alltag streichen, um mehr Platz zu schaffen? Bestimmt! Aber auch nur zum Teil. Vieles von dem, was mich jeden Tag beschäftigt hält, muss ich leider tun.
Aber: Ich muss es nicht allein tun! Gott und Jesus wollen eine lebendige Beziehung mit mir führen. Sie wollen Zeit mit mir verbringen. Und dafür gibt es nicht nur den einen richtigen Weg. Jede Art von gemeinsam verbrachter Zeit bringt ein Plus auf unser Beziehungskonto. Was also spricht dagegen, sie mit zur Arbeit zu nehmen oder zum Abwaschen oder in die Stadt oder zum Spielen mit den Kindern oder sogar zum gemeinsamen Netflix gucken?
Genau das will ich ab jetzt viel mehr tun. Wie genau, das muss ich noch ausprobieren. Aber Möglichkeiten gibt es genug: Eine kurze Bibellese in der Mittagspause, ein bisschen Lobpreismusik beim Abwaschen, den Kids aus der Kinderbibel vorlesen, den Weg zur Arbeit zum Beten nutzen oder für einen anregenden Podcast … die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt!
Ich glaube am Ende ist gar nicht so wichtig, was ich mache, sondern viel mehr, dass ich etwas mache. Und wenn es nur ist, dass ich mich zu Gott und Jesus aufs Sofa setze und ein bisschen Smalltalk halte. Sie haben sich schon durch Sturm und Regen und gegen alle Widrigkeiten bis auf mein Sofa gekämpft – jetzt möchte ich ein guter Gastgeber, Sohn und Freund zu sein.
Gottes Segen und bis zum nächsten Mal
Euer Daniel
Titelbild von Nathan Fertig auf Unsplash
Alle Zitate sind der Elberfelder Bibelübersetzung entnommen.
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