In letzter Zeit habe ich mich sehr intensiv mit dem Thema Krieg befasst. Nicht mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, oder dem Krieg Israels gegen die Hamas, was naheliegend wäre - sondern mit einem Krieg, der schon etwas weiter zurück liegt: dem Zweiten Weltkrieg.
Außerhalb der Schule habe ich mich sonst nicht viel damit beschäftigt. Ich weiß, dass Deutschland die Schuld an den unzähligen Opfern beider Kriege trägt. Der offizielle internationale Gedenktag an die Opfer des Holocaust ist der 27. Januar. Es gibt zahlreiche Gedenkstätten, und als Jugendliche habe ich ein paar Bücher zu dem Thema aus der Sicht europäischer Juden (meistens Kinder) gelesen: “Damals war es Friedrich” und “Als Hitler das rosa Kaninchen stahl”. Filme habe ich zu dem Thema nicht viele gesehen, da sie mir (das ist glaube ich naheliegend) zu dunkel und grausam waren.
Letztes Jahr war ich dann im Familienurlaub in der Normandie, und wir haben natürlich den Omaha Beach besucht, einen Teil des Strandes, an dem die Amerikaner angelegt haben, um Europa von der Herrschaft Hitlers und Nazi-Deutschlands zu befreien. Ich kann euch sagen, das hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen: Das Wetter war perfekt für einen Strandbesuch, größtenteils sonnig und warm, doch nach Baden war hier niemandem zumute. Die Flaggen der Alliierten wehten zu den Seiten eines riesigen Steindenkmals, im Hintergrund sah man den Strand und dahinter das weite Meer bis zum Horizont.
Die Wellen, der Wind und die aufziehenden Wolken wirkten irgendwie bedrohlich, und ließen ein Gefühl entstehen, wie es damals wohl gewesen sein mag, als die Amerikaner hier gelandet sind: Wohl wissend, dass der Feind hier auf sie wartete - doch nicht wissend, ob sie dieses Land je wieder lebend verlassen würden. Aber von Hoffnung und Motivation getrieben, für das Gute zu kämpfen.
In diesem Zusammenhang habe ich mir auch den Film “Saving Private Ryan” (dt. “Der Soldat James Ryan”) und die beiden Miniserien “Band of Brothers (dt. “Band of Brothers - Wir waren wie Brüder”) und die Spin-Off Serie “The Pacific” (beide u.a. von Stephen Spielberg und Tom Hanks) angesehen. Die Serien schildern die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs zwischen 1942 und 1945 aus Sicht von US-amerikanischen Soldaten. Band of Brothers fokussiert sich dabei auf den Kriegsschauplatz in Europa, The Pacific - man ahnt es - im Pazifik.
Der Zuschauer begleitet dabei eine Gruppe Soldaten von Anfang an, hoch motiviert, voller Tatendrang (einer der Charaktere mit seinem Glauben an Gott, für den er von seinen Kameraden belächelt wird), bis zu ihrem Ende. Sei es früh, im Kampf, oder später, nach Kriegsende. Man bekommt den Horror und die Leiden mit, die sie als Individuen erleben, aber auch den Zusammenhalt und die Opfer, die sie füreinander, ihr Land und Europa bringen, sowie die Wandlungen, die sie im Laufe der Geschichte durchmachen. Der ein oder andere stößt sichtlich an seine Grenzen: Einige werden psychisch krank, können es nicht mehr aushalten: den massenhaften Tod um sie herum, die Schmerzen, die Kälte, den Hunger, die Erschöpfung, den Verlust, die Grausamkeiten.
Und auch wenn man es nicht erwarten würde, findet man auf der anderen Seite auch sie im Krieg: die Nächstenliebe. Indem man füreinander da ist, seinen Besitz teilt, auch wenn man selbst nicht viel hat, oder indem man dem Feind gegenüber Gnade zeigt. Und im Hinterkopf das Bewusstsein, für etwas Größeres zu kämpfen. Und wenn nötig, dafür sogar sein Leben zu lassen - erinnert uns das nicht an jemanden?
Bitte versteht mich nicht falsch, ich bin in keinster Weise ein Befürworter des Krieges. Und mir ist bewusst, dass vieles aus Filmen oder Büchern verklärt oder romantisiert dargestellt ist. Und doch kann man in diesem ganzen Schrecken auch positive Dinge finden
Am Ende der beiden Kurzserien wird gezeigt, wie das Leben der Hauptcharaktere nach Kriegsende weiter ging: Auch wenn viele ein scheinbar normales Leben aufnehmen konnten, haben die schrecklichen Erlebnisse sie doch für immer begleitet - zumal es damals mit Therapiemöglichkeiten ja noch nicht so gut bestellt war. Und auch wenn so viele Soldaten und Zivilisten ihr Leben verloren haben, schafften es so einige Soldaten wieder zurück nach Hause - und konnten in diesem Jahr sogar an der 80-jährigen Jubiläumsfeier des D-Days teilnehmen (https://www.bbc.co.uk/news/articles/cv224rk5pg3o).
Folgende Stelle aus einem Lied erinnert ebenfalls daran, dass man es mit Gottes Hilfe durch so einige Leiden und schreckliche Erlebnisse im Leben schafft:
“What if the world doesn’t end when the fears come true? What if we have what we need to make it through? There is manna from Heaven and mercies new What if God is still here in this desert too?” Was, wenn die Welt nicht untergeht, wenn die Ängste wahr werden? Was, wenn wir haben, was wir brauchen, um es zu schaffen? Es gibt Manna vom Himmel und neue Gnade. Was, wenn Gott auch in dieser Wüste bei uns ist? (JJ Heller - God Is Still Here - https://www.youtube.com/watch?v=udD-F7yqTKw)
Ein weiterer Grund für mein erwachtes Interesse an den Weltkriegen ist vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass ich seit nun fast 10 Jahren in Großbritannien lebe. Die Briten, die ja bekanntlich auf der Siegerseite standen, haben noch einen weiteren Gedenktag: Den Remembrance Sunday, am 2. Sonntag im November, an welchem den gefallenen Soldaten und Zivilisten der Kriege gedacht wird. In den meisten Städten und Dörfern finden Zeremonien an den örtlichen Kriegsdenkmälern, inkl. Kranzniederlegung und einem landesweiten zweiminütigen Schweigen, statt. Als Zeichen der Erinnerung dient dabei eine kleine Mohnblume, die während dieser Zeit, an der Kleidung befestigt, von vielen im Alltag getragen wird.
Das ist etwas, was ich aus Deutschland so gar nicht kenne - es ist auch schwierig, die Balance zu finden: Den Gefallenen zu gedenken, aber nicht den Krieg zu feiern, dessen Schuld unser Land trägt. Doch ist es meiner Meinung nach wichtig, dass Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Sei es, damit man die Gefahren von damals frühzeitig erkennen kann, wenn sie wieder aufkommen. Oder damit man denjenigen im Nachhinein danken kann, die für die Freiheit, die wir heute genießen dürfen, gekämpft haben. Und das erreicht man am besten, indem man sich erinnert.
Das erinnert mich nun daran, dass auch in der Bibel oft von “erinnern” oder “an etwas denken” die Rede ist: Sei es Gott, der uns mit dem Regenbogen folgendes Versprechen gibt:
“dann werde ich an meinen Bund denken, den ich mit Mensch und Tier geschlossen habe: Nie wieder eine so große Flut! Nie wieder soll alles Leben auf diese Weise vernichtet werden!” (1. Mose 9,15)
Die Israeliten sollen sich daran erinnern, den Sabbat zu halten:
“Denke an den Sabbat als einen Tag, der mir allein geweiht ist!” (2. Mose 20,8)
In den Psalmen wird ebenfalls viel an Gott gedacht:“Wenn ich in meinem Bett liege, denke ich über dich nach, die ganze Nacht sind meine Gedanken bei dir.” (Psalm 63,7)
„Ich erinnere mich an deine großen Taten, HERR, und denke an die Wunder, die du einst vollbracht hast.” (Psalm 77,12)
Auch einzelnen Personen wird gedacht, wie der Frau, die Jesu Haupt gesalbt hat, worüber sich die Jünger sehr empörten:
“Wahrlich, ich sage euch, wo dies Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.” (Matthäus 26:13)
Wenn sich niemand an einen erinnert, kann dies schwerwiegende Konsequenzen haben, wie für Josef, der deshalb länger im Gefängnis bleiben musste:
“Aber der Oberste der Mundschenken dachte nicht an Josef, sondern vergaß ihn.” (1. Mose 40,23)
Oder man erinnert sich plötzlich daran, was über einen vorhergesagt wurde - was man aber nie für möglich gehalten bzw. vergessen hat:
“und Petrus fielen die Worte ein, die Jesus gesagt hatte: »Ehe der Hahn kräht, wirst du dreimal geleugnet haben, mich zu kennen.« Da ging Petrus hinaus und weinte voller Verzweiflung.” (Matthäus 26,75)
Doch wir sind alle nur Menschen, niemand ist perfekt, und deshalb vergessen wir Dinge. So auch die Jünger:
“Ihr habt doch Augen. Warum seht ihr nicht? Und ihr habt Ohren. Warum hört ihr nicht? Habt ihr schon vergessen, wie ich die fünf Brote an fünftausend Menschen ausgeteilt habe?” (Markus 8,18-19)
Was wir uns bestimmt am meisten wünschen, ist, dass sich Jesus an uns erinnert, und uns in sein Königreich kommen lässt. Auch der Verbrecher bat bei seiner Kreuzigung darum:
“Jesus, denk an mich, wenn du deine Herrschaft antrittst!” (Lukas 23,42)
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind, wenn wir Paulus’ Rat an Timotheus befolgen wollen:
“Halte im Gedächtnis Jesus Christus” (2. Tim. 2,8)
Dies können wir unter anderem erreichen, indem wir Brot und Wein miteinander teilen:
“Denn ich hab von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte, und brach’s und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.” (1. Kor. 11,23-26)
Und glücklicherweise haben wir Gott auf unserer Seite, der keine Mohnblumen oder Gedenkzeremonien braucht, um uns im Gedächtnis zu behalten. Und wisst ihr, was der eigentliche Knaller ist? Tatsächlich dreht Gott das Ganze einfach um, und entscheidet sich dazu, all unsere Verfehlungen und Schuld für immer zu vergessen!
”Aber dann werde ich mit dem Volk Israel einen neuen Bund schließen. Und der wird ganz anders aussehen: Ich schreibe mein Gesetz in ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Niemand muss dann den anderen noch belehren, keiner braucht seinem Bruder mehr zu sagen: ›Erkenne doch den Herrn!‹ Denn alle – vom Kleinsten bis zum Größten – werden erkennen, wer ich bin. Ich vergebe ihnen ihre Schuld und denke nicht mehr an ihre Sünden.«” (Hebräer 8,10-12)
Ein tolles Beispiel dafür, dass Vergessen nicht immer schlecht ist. Es kommt, wie sehr oft im Leben, eben auf den Kontext an ;)
Eure Hannah-Mi
Gelegentliche Gastbeitrag-Schreiberin, hat grundsätzlich eine positive Einstellung, mag tiefsinnige Gespräche, liebt es, zu lachen, fühlt sich Gott in der Natur am nächsten, teilt die Ansicht 'Gemeinschaft ist trotz Unterschiede möglich' und lebt mit Mann und 2 Katzen in Schottland.
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