Er muss wachsen, ich muss abnehmen.
Das sagt Johannes der Täufer zu einem Juden, der ihn darauf hinweist, dass auch Jesus Menschen tauft.
Wie komme ich auf diesen Satz?
Nun, dieses neue Jahr 2023 wird für mich das Jahr werden, in dem sich meine lange Berufszeit als Ingenieur dem Ende zuneigt. Mein 63. Geburtstag am 22. September wird – so Gott will – auch mein letzter Arbeitstag vor dem Beginn der Rente sein. Schon jetzt, rechtzeitig vor meinem Ausscheiden, bin ich damit beschäftigt, meine recht zahlreichen Aufgaben im Unternehmen zu übergeben.
Da gibt es einen jungen Kollegen, der seit zwei Jahren Projekte gemeinsam mit mir bearbeitet. Jetzt ist es an der Zeit, dass er die Projektverantwortung sukzessive auch allein tragen muss. „Er muss wachsen, ich muss abnehmen."
In einem anderen Bereich gilt es, Aufgaben die ich bisher alleine erledigt habe, für die Zukunft auf mehrere Köpfe zu verteilen. Auch hier muss ich Dinge, die ich seit mehreren Jahren wie selbstverständlich so nebenbei erledigt habe, zunächst mal sammeln, um sie dann zu sortieren und neu zuzuordnen. Im nächsten Schritt werde ich dann die Kolleginnen und Kollegen, die zukünftig Teile der Aufgaben übernehmen sollen, an diese Tätigkeiten heranführen und schon mal "üben" lassen.
Wieder ein Paket, in dem mein Handeln abnimmt, damit andere darin wachsen können. Das alles führt natürlich dazu, dass mein Arbeitspensum sukzessive abnimmt. Ein Gedanke, der mich noch vor zwei Jahren in eine Depression geführt hat, die ich nur durch eine stationäre Therapie überwinden konnte. In dieser Zeit habe ich viel über mich lernen können, neues entdecken dürfen und einiges im Denken und Handeln ändern müssen. Was mir in dieser Zeit sehr geholfen hat war, jederzeit das Gefühl zu haben, von Gott getragen und behutsam auf den neuen Lebensabschnitt vorbereitet zu werden.
So konnte ich dann auch ohne das Gefühl, womöglich nur noch das Nötigste zu machen, die Entscheidung treffen, für den Rest der Zeit in Teilzeit zu arbeiten. Wer mich kennt wird verstehen, wie groß dieser Schritt für mich war. Gleichzeitig kam dann auch noch die Entscheidung dazu, zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente zu gehen. Damit waren beruflich die Weichen gestellt, langsam aber bewusst und mit klarem Ende, weiter abzunehmen, um einer neuen Generation Platz zum Wachsen zu machen.
Die "neue Generation" führt mich dann auch ins Private. Ganz allgemein scheint es vernünftig zu sein, dass meine Generation, die nur Frieden kennt, die nur Wachstum und Wohlstand kennt, immer nur bergauf, jetzt abnehmen muss, damit der damit einhergehende Raubbau an Natur und Ressourcen gebremst werden kann. Nur so wird die neue, junge Generation die Chance haben, Dinge zu verändern. Vermutlich sind diese "Jungen" auch besser gewappnet, mit Krisen umzugehen, weil sie bereits jetzt damit aufwachsen. Neudeutsch heißt das wohl "Resilienz".
An den eigenen Kindern kann ich diesen Übergang von Abnehmen und Wachsen gut beobachten. In vielen Belangen vereinen sie Talente und Eigenschaften in sich, die ich gerne gehabt hätte. Dazu gehören ein hohes Maß an Empathie, Musikalität, Kreativität und ein starker, sichtbarer Glaube. Auch viele Dinge, die meine Frau und ich viele Jahre lang für die Gemeinde gemacht haben, werden längst von unseren Kindern weitergeführt. So kann ich auch hier beruhigt abnehmen und der nächsten Generation Raum zum Wachsen geben.
Das mag jetzt klingen wie ein verfrühter Nachruf, wie Abnehmen bis zum Verschwinden. Allerdings ist es das keineswegs. Vielmehr ist es das Loslassen all der Dinge, die die Vergangenheit (und zum Teil noch die Gegenwart) bestimmt haben, um das Leben neu zu ordnen, Dinge anders und mit Gottes Hilfe hoffentlich besser zu machen, Neues zu entdecken und neue Aufgaben zu übernehmen. Ein echter Neustart also.
Dabei geht es mir (und meiner Frau) im Wesentlichen – wen wundert's – doch wieder um ein Projekt, sogar um ein Bauprojekt. Dieses Projekt heißt „Gemeinde bauen“. An einem neuen Ort, mit neuen Rahmenbedingungen und neuen „Projektbeteiligten“, fast so, wie es Paulus beschreibt:
"Das alte ist vergangen. Siehe, neues ist geworden." (2. Korinther 5,17)
Mit Spannung und großer Vorfreude sehe ich diesem Neuen entgegen und hoffe dabei auf Gottes Mitwirken und Segen, denn:
"So ist weder der da pflanzt etwas, noch der da begießt, sondern Gott, der das Wachstum gibt. Der aber pflanzt und der begießt, sind eins; jeder aber wird seinen eigenen Lohn empfangen nach seiner eigenen Arbeit. Denn Gottes Mitarbeiter sind wir; Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr." (1. Korinther 3,7-9)
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gesegnetes neues Jahr in Gottes Ackerfeld!
Hallelujah! (Gelobt sei Jahweh, unser Gott) Euer Peter
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