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AutorenbildPeter

Da hilft nur noch beten!

Diesen Ausspruch hört man im Volksmund zumeist in einer Situation, in der es scheinbar keine Optionen mehr gibt. Alles wurde versucht, nichts hat geholfen, die Katastrophe naht, Leid scheint unvermeidbar. Erst dann kommen selbst ungläubige Menschen zu diesem Ausspruch.


Die Zeit, in der wir leben, scheint auf einen solchen Zustand zuzustreben. Die Klimakatastrophe rückt immer näher und ist wohl nach Einschätzung der Wissenschaft auch nicht mehr abwendbar. Wetterphänomene und andere Naturkatastrophen werden immer extremer und unberechenbarer. Rechtsextreme Autokraten gewinnen die Oberhand. Selbst innerhalb von Europa herrscht wieder Krieg, obwohl doch erst in 2012 die EU für 60 Jahre Frieden sogar den Friedensnobelpreis bekam. Die Komplexität der Probleme nimmt überhand. Alles hängt mit allem zusammen. Die persönlichen Sorgen der Menschen scheinen selbst in einem so reichen und friedfertigen Land wie Deutschland zuzunehmen, zumindest wenn man den Medien glaubt, die dieses Gefühl allerdings (meiner Einschätzung nach) auch regelrecht anheizen, nach dem Motto „Only bad news are good news!“. So stellt sich die Frage, wann wohl auch hier die ersten Menschen zu der Einschätzung kommen: „Da hilft nur noch beten“?



Als gläubiger Mensch kann ich zwar zustimmen: Ja, beten hilft! Aber die Reihenfolge ist falsch. Nicht erst, wenn nichts mehr geht, was man noch selbst in der Hand zu haben scheint und die Katastrophe längst ihren Lauf nimmt – nein, das Gebet sollte an erster Stelle stehen. Und das auch und gerade für diejenigen, die uns regieren und die für das Wohlergehen der Bevölkerung sorgen sollten.


Ich bin erneut vor einigen Wochen auf diesen Gedanken gekommen, als in Amerika feststand, dass Trump die Wahl gewonnen hat und gleichzeitig unsere Regierung sich quasi selbst abgeschafft hat, was nun Neuwahlen zur Folge haben wird. An diesem Punkt kam mir eine Bibelstelle aus dem Brief des Paulus an Timotheus in den Sinn:

"Ich ermahne nun vor allen Dingen, dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit." (1. Timotheus 2,1-2)

Für die Regierung zu beten ist keine neue Forderung des Neuen Testaments. Bereits die Israeliten wurden selbst zur Zeit ihrer Verschleppung nach Babylon dazu aufgerufen:

"So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: An alle Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel gefangen weggeführt habe: […] sucht den Frieden der Stadt, in die ich euch gefangen weggeführt habe, und betet für sie zum HERRN! Denn in ihrem Frieden werdet ihr Frieden haben." (Jeremia 29,4+7)

Und auch nach ihrer Rückkehr nach Israel bestimmt der persische Herrscher Folgendes:

"Und von mir wird Befehl dafür gegeben, wie ihr mit diesen Ältesten der Juden verfahren sollt, damit sie dieses Haus Gottes bauen können: So sollen von den Gütern des Königs, aus der Steuer der Provinz jenseits des Stromes, diesen Männern die Ausgaben pünktlich bezahlt werden, um sie nicht aufzuhalten. Und was nötig ist, Jungstiere, Widder und Lämmer zu Brandopfern für den Gott des Himmels, dazu Weizen, Salz, Wein und Öl, das soll ihnen nach dem Geheiß der Priester, die in Jerusalem sind, Tag für Tag ohne Nachlässigkeit gegeben werden, damit sie dem Gott des Himmels Räucherwerk darbringen und für das Leben des Königs und seiner Söhne beten." (Esra 6,8-10)

Beim Lesen dieser Verse fühlte ich mich allerdings ertappt! Wenn ich so darüber nachdenke, wann ich mal für die Regierenden unseres Landes oder gar der Welt gebetet habe oder in irgendeiner Versammlung ein solches Gebet gehört habe, dann ist da eine große Leere.


Wenn ich über den Inhalte meiner eigenen Gebete nachdenke, kommt mir ein interessanter Begriff in den Sinn, den ich in mehreren Artikeln zu diesem Thema gelesen habe, die sogenannten „All die ...“-Gebete (nein, nicht der Discounter).


Nachdem ich in meinen Gebeten den persönlichen Dank und die Bitten für die engsten Menschen um mich herum getätigt habe, dann kommen da noch die Bitten für „all die“ Kranken, „all die Geschwister“ weltweit in ihren Sorgen und Nöten, „all die“ noch Suchenden … Damit sollte ich doch dann alle erwischt haben, oder? Aber ein wirklich explizites Gebet für die, die uns regieren? Das habe ich glaube ich noch nie gemacht. Wird Zeit!


Dieses Beten für die Obrigkeit steht natürlich auch im Zusammenhang mit einem übergeordneten Thema, dem „untertan“ sein.

"Jedermann sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan; denn es gibt keine  Obrigkeit, die nicht von Gott wäre; die vorhandenen aber sind von Gott  verordnet. Wer sich also der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Ordnung Gottes; die aber widerstreben, ziehen sich selbst die Verurteilung zu. Denn die Herrscher sind nicht wegen guten Werken zu fürchten, sondern  wegen bösen! Willst du also die Obrigkeit nicht fürchten, so tue das Gute, dann wirst du Lob von ihr empfangen! Denn sie ist Gottes Dienerin, zu deinem Besten." (Römer 13,1-4)

Ein schwieriges Thema, gerade in Diktaturen, das ist mir bewusst. Aber man sollte bedenken, dass Paulus diese Forderung zur Zeit der römischen Herrscher schreibt, die auch mit äußerster Gewalt und Brutalität ihre Macht aufrecht erhielten.


Auch an Titus, der auf Kreta für die Gemeinde tätig war, schreibt Paulus ganz ähnlich:

"Erinnere sie, staatlichen Gewalten und Mächten untertan zu sein, Gehorsam zu leisten, zu jedem guten Werk bereit zu sein, niemand zu lästern, nicht streitsüchtig zu sein, milde zu sein, an allen Menschen alle Sanftmut zu erweisen!" (Titus 3,1)

Das „untertan sein“ bezieht sich gemäß Petrus sogar auf alle Ebenen von Regierung. Heute würden wir wohl sagen, bis in die Kommune hinein:

"Ordnet euch aller menschlichen Einrichtung unter um des Herrn willen: sei es dem König als Oberherrn oder den Statthaltern als denen, die von ihm gesandt werden zur Bestrafung der Übeltäter, aber zum Lob derer, die Gutes tun! Denn so ist es der Wille Gottes, dass ihr durch Gutes tun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt. […]Erweist allen Ehre; liebt die Bruderschaft; fürchtet Gott; ehrt den König!" (1. Petrus 2,13-15+17)

Selbstverständlich stehen alle diese Forderungen immer unter der Überschrift

"Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen." (Apostelgeschichte 5,29)

Dieser ganze Themenkomplex führt mich immer wieder auch zu dem Thema „Wählen“ und politische Betätigung, gerade jetzt wieder aktuell, wenn demnächst in Deutschland Neuwahlen anstehen. Wir haben in der Gemeinde dieses Thema schon oft diskutiert, mit verschiedenen Meinungen und persönlichen Handlungsweisen, die wir heute liebevoll nebeneinander stehen lassen können. Ich will das hier auch nicht weiter vertiefen.


Für mich ergibt sich in Bezug auf Gebete für die Regierenden allerdings die Frage, worum ich eigentlich bitten sollte? Vielleicht um Weisheit oder wenigstens Vernunft? Um das Wohlergehen der Bevölkerung? Oder darum, dass Gott die Geschicke im Sinne seines Planes weiter lenken mag? Darüber muss ich noch eine Weile nachdenken, aber eine erste wesentliche Antwort steckt glaube ich schon in den Versen, die Paulus an Timotheus zum Zweck der Gebete geschrieben hat:

„…damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.“

Das ist, denke ich, eine gute Bitte für alle gläubigen Menschen, dass sie ihren Glauben in aller Ruhe ohne Angst vor Repressalien leben können, egal unter welcher Regierung auch immer.


Ein weiterer Aspekt scheint mir in allen drei Bibelzitaten zum Thema „untertan sein“ (siehe vor) zu liegen:


Gutes TUN im persönlichen Umfeld ist wohl das Wesen eines gläubigen Christen, unabhängig vom politischen Umfeld, denn wer vermag schon zu sagen, durch wen Gott seine Pläne vollenden will.


Daher möchte ich es mit dem Propheten Micha halten, der es in einem Satz so genial auf den Punkt bringt:

"Man hat dir mitgeteilt, o Mensch, was gut ist. Und was fordert der HERR von dir, als Recht zu üben und Güte zu lieben und demütig zu gehen mit deinem Gott?" (Micha 6,8)

Wenn das doch nur alle Regierenden beherzigen würden! Dafür sollte ich vielleicht mal beten!?

 

Euer Peter

 

Foto von Sebbi Strauch auf unsplash

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