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AutorenbildDaniel

Blumen von Jesus

Neulich war ich bei einer Freundin, die auch eine Arbeitskollegin ist. Wir nahmen aus ihrem Wohnzimmer heraus an einer ganztägigen Videokonferenz teil, bei der wir keinen aktiven Part hatten, sondern einzig zuhören und herausfiltern mussten, welche der vorgestellten Themen unsere Arbeit in Zukunft tangieren würden und wie der aktuelle Planungsstand ist.


In der Mittagspause plauderten wir ein bisschen über dies und das und sie machte im Hintergrund Musik an. Es lief „Flowers“ von Miley Cyrus. „Das Lied hätte ich früher gut gebrauchen können.“, sagte sie mehr beiläufig. Ein Satz, der mich seitdem sehr beschäftigt hat.


„Flowers“ ist seit einigen Wochen ein riesiger Hit: Der Song ging sofort an Platz eins der US Charts und ist (gemäß einer kurzen Internetrecherche) das in der ersten Woche nach seiner Veröffentlichung meistgespielte Stück aller Zeiten auf Spotify. Ein Song, der ganz offensichtlich nicht nur meiner Kollegin gefällt. Dass das Lied so enorm erfolgreich ist, hängt natürlich zum einen mit dem minimalistischen aber sehr tanzbaren Beat zusammen. In aller Munde ist es aber vor allem wegen seines Texts.



Sehr knapp zusammengefasst geht es in dem Song um Miley Cyrus‘ Trennung von ihrem Ex-Ehemann Liam Hemsworth. Statt im Text über ihn herzuziehen, kommt sie vielmehr zu der Selbsterkenntnis: Ich brauche diesen Mann nicht, um glücklich zu sein. Was er mir geben konnte, kann ich auch allein haben – und das vermeintlich sogar besser. Im Refrain formuliert sie diese Einsicht so (Übersetzung von mir):

„Ich kann mir selbst Blumen kaufen, kann selbst meinen Namen in den Sand schreiben, kann stundenlang mit mir selbst reden – über Dinge, die du eh nicht verstehen würdest. Ich kann mich selbst zum Tanzen ausführen, kann meine eigene Hand halten. Ich kann mich besser lieben, als du es kannst.“

Hier wird klar, warum der Song so viele Menschen anspricht: Er bewegt sich sehr nah an Themen, die in Gesellschaft und Medien aktuell stark im Fokus stehen: Toxische Beziehungen, starke, unabhängige Frauen, Self-Empowerment und vor allem Self-Love – sich selbst zu lieben und sich selbstbewusst und wertschätzend um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern. In vielen Fällen geht das Einher mit einer anderen vielbesprochenen Eigenschaft: Unabhängigkeit. Man befreit sich von Beziehungen und Abhängigkeiten, die einem schaden, und konzentriert sich darauf, das eigene Wohlbefinden wieder selbst in die Hand zu nehmen.

„Ich kann mich besser lieben, als du es kannst“.

Das hat mich sehr nachdenklich und ein bisschen betroffen gemacht. Allerdings konnte ich nicht direkt sagen warum.


Natürlich beziehen sich alle Aussagen in dem Lied auf eine ganz bestimmte Beziehung mit einem ganz bestimmten Mann. Ich weiß nicht, was dieser Mann getan hat (auch wenn im Internet viele Spekulationen dazu kursieren). Vielleicht war er ein riesiges Arschloch, vielleicht auch nicht. So oder so stellt sich mir aber die Frage: Ist die Hoffnung, dass der Nächste es besser macht? Wird er ihr Blumen schenken, ihren Namen in den Sand schreiben, sie zum Tanzen ausführen, ihre Hand halten aber sie obendrein auch noch in allen Dinge verstehen und am Ende besser lieben als sie es selbst kann? Oder führen diese Gedanken über Beziehungen und die Erwartungen an sie nicht vielmehr dazu, dass man am Ende feststellt, dass einen niemand besser lieben kann als man sich selbst, weil alle anderen Fehler haben? Stellt man am Ende fest, dass man allein mit sich am glücklichsten ist und nicht nur diese eine andere Person nicht braucht, sondern eigentlich niemand anderen?


Ich hatte in letzter Zeit öfter das Gefühl, dass es einen allgemeinen gesellschaftlichen Trend in diese Richtung gibt. Dabei geht es mir gar nicht nur um romantische Beziehungen. Unabhängigkeit und Selbstständigkeit sind allgemein Eigenschaften, die von vielen sehr hoch gelobt und geachtet werden. Und in immer mehr Bereichen meine ich zu bemerken, dass Menschen Angst haben, Beziehungen einzugehen, vor allem dann, wenn sie mit Abhängigkeiten einhergehen. Wenn ich mich abhängig mache (egal von wem oder was), mache ich mich verletzlich. Und jede Form von Beziehung birgt die Gefahr, dass sie mir am Ende schaden könnte – wer kann schon in die Zukunft gucken?


Überhaupt nehme ich immer öfter wahr, dass Menschen sich einigeln, da „die Welt da draußen“ potenziell gefährlich ist und man nur sich selbst wirklich vertrauen kann. Das zeigt sich in den unterschiedlichsten Bereichen. Hier nur ein paar willkürliche Beispiele dafür, welche Empfindungen ich in letzter Zeit aufgeschnappt habe:

  • Während der Hochzeit der Corona-Pandemie war jeder Fremde eine mögliche Gefahr. Nur von sich selbst wusste man, wo und mit wem man sich aufgehalten hatte und wie bedacht man sich in dieser oder jener Situation verhalten hatte.

  • In den USA bewaffnen sich Zivilisten seit ein paar Jahren so stark wie nie zuvor in der Geschichte, weil sie Angst haben: Angst vor der Regierung und dem, wohin sie sich entwickelt; Angst vor Einwanderern, denen man nicht trauen kann und die vermeintlich Jobs stehlen und so die eigene Existenz gefährden; Angst vor der eigenen Nachbarn oder sogar der Polizei, weil man eine dunkle Hautfarbe hat und sich selbst in den alltäglichsten Situation nie sicher fühlen kann.

  • Man weiß nie genau, was in den Lebensmitteln ist, die man gerade zu sich nimmt, wenn man sie nicht selbst angebaut hat. Die Lebensmittelindustrie trickst an allen Ecken und Ende, um noch mehr Profit zu machen und meine Gesundheit interessiert dabei niemanden. Versprechungen und Zusagen über Herkunft von Rohstoffen, faire Arbeitsbedingungen oder Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln kann man nicht trauen, weil man keine Möglichkeit der Überprüfung hat.


Jeder kann hier weitere Beispiele ergänzen. Ich habe das Gefühl, dass Angst heute eine dominante Emotion ist, auch wenn sie uns nicht immer ganz bewusst ist. Und in fast allen Fällen hat diese Angst mit Beziehungen zu tun: Wem kann ich trauen? Wer wird mir schaden? Wer wird mich über den Tisch ziehen? Wer wird meine Abhängigkeit ausnutzen? Wer will überhaupt noch Gutes für mich? Wer ist an meinem Wohl interessiert?


Ich will nicht sagen, dass das alles in Miley Cyrus‘ Song „Flowers“ steckt. Aber vor dem Hintergrund dieser Unsicherheit, die ich immer öfter wahrnehme, kann ich verstehen, warum der Song viele Menschen so sehr anspricht. Er zeigt eine kleine Facette eines großen Problems: Beziehungen und Abhängigkeiten machen mich verletzlich und daher ist es oft besser, wenn ich mein Glück selbst in die Hand nehme und von niemand anderem gefährden lasse.


Ich muss zugeben: Vielleicht hatten mich meine Gedanken zu diesem Zeitpunkt schon etwas zu sehr vom eigentlich sehr konkreten Thema des Songs weggetragen. Aber bei all dem Nachgrübeln entstand so nach und nach eine Vermutung, was es war, das mir an dem Song ein solches Unbehagen bereitete. Auf der einen Seite sah ich Miley Cyrus, die vom Ende einer Beziehung und dem neu gefundenen Glück in der Unabhängigkeit singt. Auf der anderen Seite mich, der Abhängigkeit für eine der schönsten Sachen der Welt hält. Lasst mich das erklären.


Ja, ich finde es wunderbar, in einer komplett abhängigen Beziehung zu sein. Es bereitet mir den größten Frieden, den man sich vorstellen kann. Aber ich habe auch – so sehe ich es zumindest – den perfekten Partner gefunden! Und nein: Ich rede tatsächlich nicht von meiner Frau.


Ich genieße meine Ehe sehr und auch hier haben wir uns beide in eine große Abhängigkeit voneinander begeben. Und auch das fühlt sich gut an! Wenn ich mir vorstelle, ich müsste all das, was ich vertrauensvoll an meine Frau abgeben kann, auch noch selbst erledigen – ich würde daran kaputt gehen. Ich hoffe ihr geht es zumindest grob ähnlich 😉


Es gibt aber noch eine andere Beziehung mit totaler Abhängigkeit, die mich einfach nur glücklich macht. Es ist eine Beziehung, die tatsächlich oft mit einer Ehe verglichen wird – allerdings wäre ich in diesem Bild gemäß der biblischen Bildsprache die Braut. Ich rede von meiner Beziehung zu Jesus.


Was macht meine Beziehung zu Jesus aus? Auf diese Frage gibt es zahlreiche Antworten. Ich möchte hier nur mal zwei Aspekte herauspicken. Der erste basiert auf zwei Versen aus Matthäus:

„Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und »ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen «; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ (Matthäus 11,29+30)

Das ist totale Abhängigkeit! Aber Abhängigkeit, die unfassbar gut tut!


Jeder hat irgendein Joch zu tragen. Dieses Bild ist heute vielleicht nicht mehr ganz selbsterklärend, aber es beschreibt ein Zuggeschirr (früher meist ein Holzbalken), das einem Paar Zugtiere auf den Nacken gelegt wurde, um sie vor einen Pflug oder ein anderes Arbeitsgerät zu spannen. Auf dem Joch lastete also die gesamte Last der zu leistenden Arbeit.


Wenn Jesus hier anbiete, dass wir uns mit unter sein Joch spannen lassen können, dann ist er in dem Bild das erfahrenere Tier, das nicht nur leitet, sondern in diesem Fall auch den Großteil der Last trägt. Daher kommt die Abhängigkeit: Es ist ein wunderbares Angebot, dass Jesus mir einen Großteil meiner Last abnehmen will, sodass mein Leben deutlich leichter wird. Mich auf das Angebot einzulassen, erfordert aber großes Vertrauen, denn würde Jesus sich zu irgendeinem Zeitpunkt aus unserer Beziehung herausziehen, dann wäre ich allein mit einer Last, die mich komplett überwältigen und zerbrechen würde. Aber das tut er nicht, weil er der perfekte Partner ist. Darauf darf ich vertrauen. Ich gehe also eine Beziehung ein und mache mich abhängig und verletzlich – aber es fühlt sich sehr, sehr gut an!


Der zweite Aspekt der Beziehung mit Jesus, den ich hervorheben möchte, leitet sich von einer Aussage aus Johannes Kapitel 15 ab:

„Größere Liebe hat niemand als die, dass er sein Leben hingibt für seine Freunde.“ (Johannes 15,13)

In einem Artikel, den ich zum Lied „Flowers“ gelesen habe, hieß es übersetzt (an die Frauen dieser Welt gerichtet):

„Es ist nicht euer Job, kaputte Männer zu reparieren. Ihr habt es nicht verdient mit so jemandem zusammen zu sein. Ihr sollte mit jemandem zusammen sein, der kontinuierlich an sich arbeitet und euch glücklich macht.“ (1)

Vor dem Hintergrund von Jesu Leben und auf meine Beziehung mit ihm bezogen liest sich das geradezu bizarr. Niemand hat jemals mehr an sich selbst gearbeitet, um andere glücklich zu machen, als Jesus. In Lukas lesen wir, dass auch Jesus eine Entwicklung durchgemacht hat:

„Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und Gunst bei Gott und Menschen.“ (Lukas 2,52)

Er hat sein gesamtes Leben mit Gottes Hilfe bis zur Perfektion an sich gearbeitet. Das hat auch eingeschlossen, dass er sein Leben vollständig anderen Menschen gewidmet und sich für sie aufgeopfert hat, selbst wenn er vor Erschöpfung nicht mehr konnte. Am Ende hat er sogar den Tod aus Liebe in Kauf genommen – auch aus Liebe zu mir, wobei er mich nicht mal kannte!


Was mich allerdings am meisten stört an den Worten des Artikels ist die Aussage „ihr habt etwas besseres verdient“. Hand aufs Herz: Ist das so? Hat irgendjemand von uns wirklich den perfekten Partner „verdient“? Sind wir nicht alle ebenso unperfekte Partner für unser gegenüber? Sollte unser Partner nicht die gleiche Erwartung der Perfektion an uns stellen dürfen? Niemand ist perfekt. Umso mehr füllt es mich mit Demut und Dankbarkeit, dass Jesus trotzdem der perfekte Partner für mich sein will – für mich, der nur einen klitzekleinen Bruchteil dessen zurückgeben kann.


Miley Cyrus zieht als Fazit aus ihrer letzten Beziehung: „Ich kann mich selbst besser lieben, als du es kannst.“ Das trifft vermutlich auf die allermeisten „Du“s zu. Wir sind alle in erster Linie egoistisch und damit nicht gerade dafür gemacht, jemand anderen zu seiner vollen Zufriedenheit zu lieben. Und trotzdem sind wir absolute Beziehungsmenschen. Und was auch immer wir uns Gutes tun können, um uns selbst zu lieben – das empfundene Glück wird nicht vergleichbar sein mit bedingungsloser Liebe, die wir von jemand anderem erhalten, obwohl wir sie nicht verdienen. Genau das gibt mir Jesus. Er ist das „Bessere“, aber niemand verdient ihn. Er liebt mich trotzdem.


Wie so oft in meinen Beiträgen kommt jetzt die Frage: Warum schreibe ich das alles? Worauf will ich hinaus? Jesus ist der beste Partner, den man sich für eine zwischenmenschliche Beziehung wünschen kann. Selbst Miley Cyrus müsste dem wohl zustimmen: Er beschenkt uns fortwährend, wir können mit ihm über alles reden und sicher sein, dass er uns immer versteht, er bringt Freude in unser Leben (und zwar nicht nur auf einzelne „Ausgeh-Abende“ beschränkt) und er kann uns besser lieben als wir uns selbst liebe können.


Bleibt die Frage: Brauchen wir Jesus, um glücklich zu sein? Viele Menschen würden sagen: Nein. Und ich kann das verstehen.


Wir leben in einer Welt, in der wir immer wieder verletzt werden und oft genug das Gefühl haben, uns einkapseln und nur noch mit uns selbst beschäftigen zu wollen, weil das am sichersten ist. Das Problem hinter dem allen ist aber weder toxische Männlichkeit noch sind es toxische Beziehungen (egal, von welcher Seite das Gift kommt). Das Problem ist, dass wir insgesamt in einer toxischen Welt leben. Ich kann mich aus jeder toxischen Beziehung befreien und feststellen, dass ich nachher viel glücklicher bin. Aber ich kann mich nicht aus eigener Kraft aus dieser toxischen Welt befreien.


Erst kürzlich habe ich den Fernseher eingeschaltet und durch die Kanäle gezappt, nur um festzustellen, dass auf keinem einzigen Kanal, den wir empfangen können, etwas Positives zu sehen war. Auf einem Kanal wurde vom verheerenden Erdbeben in der Türkei berichtet, auf dem nächsten Sender ging es um die Klimakatastrophe, in der wir stecken. Wieder einen Sender weiter ging es um Tricksereien der Lebensmittelindustrie, auf dem nächsten um Waffengewalt in den USA. Ich vermute ihr erkennt einige Themen von weiter oben wieder.


Alles geht bergab, weil wir Menschen sind, wie wir sind. Ich bin überzeugt, dass wir es nicht schaffen werden, das aufzuhalten. Der innere Schweinehund wird am Ende doch siegen. Und deshalb brauche ich die Beziehung mit Jesus! Ich brauche sie, weil ich nur durch ihn Hoffnung haben kann auf eine Zeit, in der die Welt wieder zurückversetzt wird in den paradiesischen Zustand, in dem sie mal gestartet ist. Ich brauche ihn für die Hoffnung darauf, dass Gott sein Versprechen wahr macht, zu diesem Zeitpunkt unsere menschliche Natur von all dem zu befreien, was uns und die Welt kaputt macht und es durch reine Liebe zu ersetzen.


Aber ich brauche die Beziehung zu Jesus auch jeden Tag ganz praktisch, um morgens überhaupt noch aufzustehen. Ich finde in dieser Beziehung mit Freude all das, wovor sich die Welt offenbar fürchtet: Nicht stark sein zu müssen, sondern schwach sein zu dürfen; Nicht daran verzweifeln zu müssen, dass ich alles selbst in der Hand habe und mich aus eigener Kraft durchschlagen muss; Vollkommen vertrauen zu können, auch wenn das bedeutet, mich komplett abhängig zu machen und zu wissen, dass mein Vertrauen nicht enttäuscht wird, weil er mir treu ist. Und nicht zuletzt freue ich mich jeden Tags aufs Neue darauf, mich in dem Glauben fallen lassen zu können, dass da jemand ist, der mich besser liebt als ich es selbst könnte.


Ich mag Abhängigkeit, wenn sie sich so gut anfühlt.


Gottes Segen und bis zum nächsten Mal

Euer Daniel



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