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  • AutorenbildDaniel

Blind sehen

Was tun, wenn Gott einem fern scheint? Diese Frage wurde so oder ähnlich in letzter Zeit schon öfter hier auf dem Blog aufgeworfen. Heute möchte ich ein paar praktische Gedanken dazu mit euch teilen, auf die ich neulich gestoßen bin.


Auch ich war vor kurzem (mal wieder) in einer Phase, in der Gott mir seltsam fern schien. Ich kann das Gefühl vielleicht so beschreiben: Es fühlte sich an, als wäre Gott mein Nachbar in der Wohnung über mir. Als wenn ich wüsste, dass er dort wohnt, ich aber nur sehr selten etwas von ihm mitbekomme. Als ob uns 30 cm Stahlbeton trennten. Ab und zu hört man mal gedämpfte Schritte oder riecht durchs Fenster, dass jemand kocht, aber weder beim einen noch beim anderen kann man mit Sicherheit sagen, dass es vom Nachbarn oben drüber und nicht vielleicht aus der Wohnung unter oder neben einem kommt. Es fühlte sich an, als lebten Gott und ich jeder sein eigenes Leben mit sehr wenigen Berührungspunkten.


Jetzt wird der ein oder andere in dem Bild bleibend sagen: Warum gehst du nicht einfach mal hoch und klingelst? Hatte Jesus nicht sogar gesagt: klingelt und es wird euch geöffnet werden? Naja, so ähnlich zumindest. Und tatsächlich habe ich das auch gemacht … so ähnlich zumindest.


Ich bin überzeugt, dass es verschiedenste Möglichkeiten gibt bei Gott anzuklopfen. Ich habe mich in der Situation, von der ich berichten möchte, für die wortwörtlich naheliegendste entschieden und meine Bibel aufgeschlagen, die auf meinem Nachttisch lag. Ich habe nicht bewusst eine bestimmte Stelle aufgeschlagen, sondern mehr in einem Anflug von Ratlosigkeit darauf gehofft, dass mir beim willkürlichen Aufschlagen eine Stelle in die Hände fallen wird, die mir weiterhelfen würde.


Gelandet bin ich in Lukas 18. Dort las ich davon, wie Jesus einen Blinden heilte. Im ersten Moment wusste ich nicht recht, wie mich das nun auf meinem Weg zu mehr Nähe zu Gott weiterbringen sollte. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr stellte ich fest: Eigentlich geht es doch da um mich! Ich war ja auch auf eine Art blind: Ich sah Gott nicht oder zumindest nicht deutlich in meinem Leben. Wenn überhaupt hörte ich ab und zu ein paar entfernte Geräusche, die vermutlich von ihm kamen. Also beschloss ich, die Stelle noch einmal zu lesen und mich zu fragen, ob ich etwas von dem blinden Mann und seiner Begegnung mit Jesus lernen konnte.



Wenn ihr Lust habt, seid ihr eingeladen die paar Verse noch einmal mit mir zusammen zu lesen und meine Gedanken dazu zu erfahren:

„Es geschah aber, als er sich Jericho näherte, saß ein Blinder bettelnd am Weg. Und als er eine Volksmenge vorbeiziehen hörte, erkundigte er sich, was das sei.“ (Lukas 18, 35+36)

Hier sind bereits die ersten praktischen Hinweis, was wir tun können, um Gott wieder näher zu kommen: aufmerksam sein und aktiv nach ihm fragen. Der blinde Mann konnte Jesus aufgrund seiner Einschränkung nicht sehen, obwohl er gar nicht weit entfernt von ihm vorüberging. Heute, da Jesus bei Gott ist, kann ich keinen von beiden mehr physisch sehen … aber genau wie der blinde Mann kann ich mit allen anderen Sinnen (und sogar auf andere Weise mit den Augen) Hinweise auf sie sehen und aufmerksam werden! Und genau wie der blinde Mann, kann ich dabei auch die Hilfe anderer in Anspruch nehmen, sprich: Wenn mein Glaube schwach ist und ich Gott nicht oder nur sehr verschwommen wahrnehme, dann kann es mir helfen, mit anderen zu sprechen, die ihn vielleicht gerade mehr „im Blick haben“.

„Sie verkündeten ihm aber, dass Jesus, der Nazoräer, vorübergehe. Und er rief und sprach: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner! Und die Vorangehenden bedrohten ihn, dass er schweigen sollte; er aber schrie umso mehr: Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ (Lukas 18, 37-39)

Hier sehe ich gleich zwei weitere Aspekte, die ich vom blinden Mann lernen kann. Der erste ist, dass er aktiv geworden ist. Sobald er erfahren hatte, dass es Jesus war, der dort vorüberging, lehnte er sich nicht wieder zurück und hielt einen kleinen Mittagsschlaf oder führte seinen Schnack über die aktuellen Wucherpreise für Korn fort, sondern er versuchte, direkt Kontakt aufzunehmen. In meinem Fall bedeutet das wohl: ich sollte mehr beten. Da mir das in letzter Zeit in meinem kleinen Glaubenstief nicht so leicht gefallen ist, habe ich eine Funktion in meiner Bibel-App aktiviert, die jeden Tag ein kurzes geführtes Gebet für mich bereithält. Dort werden zum einen Bibelverse gezeigt, die einen zu einem bestimmten Gedanken leiten, der als Aufhänger für ein eigenes Gebet genutzt werden kann. Zum anderen wird aber auch jeden Tag ein kurzer Text angezeigt, der einfach leise oder laut als Gebet gelesen werden kann. Was in diesen Gebeten immer dominiert ist, Gott Lob und Ehre entgegenzubringen.


Interessanterweise ist das auch der zweite Punkt, der mir in Vers 37 und 38 aufgefallen ist. Indem der blinde Mann Jesus als „Sohn Davids“ bezeichnet, ehrt er ihn als den Messias und König, der seit den Zeiten des Alten Testaments versprochen worden war. Gleichzeitig verleiht er seinem Glauben Ausdruck – er glaubt, dass Jesus dieser versprochene Nachfahre Davids ist, der zum Richter, Retter und letztlich König der ganzen Welt werden soll. Was bedeutet das für mich? Ich denke, in Zeiten von mangelnder empfundener Nähe zu Gott und Jesus tut es gut, sich immer wieder vor Augen zu führen, wer sie sind und was sie getan haben, noch tun und in Zukunft tun wollen. Selbst wenn ich es manchmal nicht fühle, glaube ich es trotzdem und dann kann ein sehr simpler Trick sein, einfach immer wieder auszusprechen, was ich glaube – im besten Fall direkt im Gebet also im Gespräch mit Gott und Jesus, damit die Leitung schon mal steht 😉 Und selbst wenn mich äußere Umstände (in der Bibelstelle „die Menge“) davon abhalten wollen, sollte ich mich nicht abbringen lassen, den Kontakt zu Gott und Jesus zu suchen und mir vor Augen zu halten, mit wem ich es zu tun habe, indem ich ihnen Lob und Ehre entgegenbringe.

„Jesus aber blieb stehen und befahl, ihn zu ihm zu bringen. Als er sich aber näherte, fragte er ihn: Was willst du, dass ich dir tun soll? Er aber sprach: Herr, dass ich sehend werde!“ (Lukas 18,40+41)

Die Kontaktaufnahme zu Jesus ist dem Blinden geglückt! Die Leitung steht sozusagen. Jetzt ist es keine einseitige Angelegenheit mehr. Es war notwendig, dass der Blinde die Initiative ergriff und Kontakt zu Jesus aufnahm. Aber dieser erste Schritt wird nun umgehend von Jesus belohnt, indem er den Blinden fragt, was er für ihn tun könne. Die Antwort: „Herr, dass ich sehend werde!“. Ist das nicht auch meine Antwort und mein Anliegen an Gott?


Natürlich bin ich nicht wortwörtlich blind, aber wie schon oben beschrieben, gibt es trotzdem vieles, was ich manchmal nicht klar sehe: Dass Gott in meinem Leben wirkt, dass er immer da ist, dass er einen Plan mit uns hat oder was ER und Jesus bereits für mich getan haben. Und so ist auch meine Bitte: „Herr, dass ich sehend werde!“. Und was wird wohl Gottes und Jesu Antwort sein?

„Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dich geheilt. Und sofort wurde er sehend, folgte ihm nach und verherrlichte Gott. Und das ganze Volk, das es sah, gab Gott Lob.“ (Lukas 18,42+43)

Das ist die Hoffnung, die ich haben darf: Wenn ich mich an Gott und/oder Jesus wende, dann werden sie mir helfen. Aber dafür bedarf es einer Sache: Glauben. Der Glaube hat den Blinden geheilt. Was sagt mir das? Es sagt mir, dass ich manchmal zu krampfhaft versuche zu sehen. Ich versuche manchmal zu sehr, handfeste Beweise für Gottes Existenz zu finden, anstatt einen Schritt zurück zu machen und einfach zu glauben. Manchmal verliere ich mich in zu vielen Fragen.


Versteht mich nicht falsch: Kritische Fragen sind meiner Meinung nach essenziell wichtig für das Glaubensleben! Wir sind nicht dazu aufgerufen, blind zu glauben und zu folgen. Aber wir werden auf der anderen Seite Gott auch nicht abschließend wissenschaftlich beweisen können – weder für andere, noch für uns selbst. Auch wenn ich mir manchmal wünschte, es wäre so …


Ich vermute, Gott hat das so eingerichtet, damit es am Ende um eine persönliche Beziehung geht. Das ist, was er sich wünscht. Und die Basis dieser Beziehung ist unter anderem Vertrauen und Glaube. Mir fallen gleich auf Anhieb mehrere Stellen ein, die die Wichtigkeit des Glaubens unterstreichen:

„Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig ⟨sind⟩, die nicht gesehen und ⟨doch⟩ geglaubt haben!“ (Johannes 20,29)
„Ein natürlicher Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.“ (1. Korinther 2,14)
"Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube. Wer aber ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist?" (1. Johannes 5,4+5)

Und dann natürlich die Stelle, die überhaupt definiert, was christlicher Glaube ist:

„Der Glaube aber ist eine Wirklichkeit dessen, was man hofft, ein Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht.“ (Hebräer 11,1)

Ein Überzeugtsein von Dingen die man nicht sieht … da ist sie wieder, die Blindheit. So ist es also manchmal sogar eine Segnung, blind zu sein, weil es dazu führt, dass der Glaube wachsen muss. Und wenn das nicht von selbst passiert, dann gibt mir die Begebenheit mit dem Blinden Mann ja einige gute, praktische Tipps mit an die Hand:

  • Es ist wichtig, aufmerksam zu sein für Gottes und Jesu Gegenwart.

  • Es ist wichtig, aktiv die Verbindung zu den beiden zu suchen.

  • Es hilft, Gott und Jesus zu loben, um sich selbst wieder einmal klar zu werden, wer sie sind und was sie getan haben, tun und tun werden.

Und der letzte Punkt: Auch wenn es erst mal komplett unintuitiv scheint, ist es essenziell zu glauben. Das muss der Startpunkt von allem sein und ist gleichzeitig das Ende. Erst durch Glauben entsteht die Verbindung zu Gott, die mir im Weiteren helfen kann, mich getragen und begleitet zu wissen und im Glauben zu wachsen. Genauso ist es auch dem Blinden ergangen: Er musste erst (geistig) sehen, um schließlich (tatsächlich) sehen zu können. Verrückt oder? Hätte er nicht Jesus als den gesehen, der er ist, hätte er nie wirklich gesehen. Er konnte also in gewisser Weise bereits als Blinder sehen (= glauben) und dort hat Jesus angesetzt, um ihm auch für alles andere die Augen zu öffnen. Er hat erst gewusst, dass Jesus da ist, bevor Jesus ihm geholfen hat, ihn wirklich zu sehen – und damit den Beweis zu haben.


Ich habe in der letzten Woche versucht, blind zu sehen und was soll ich sagen: die Verbindung „nach oben“, die zwischenzeitlich sehr instabil war, steht wieder. Es gibt immer noch wieder kleine Aussetzer, aber es geht mir schon wieder viel besser und ich bin wieder dabei, im Glauben zu wachsen. Trotzdem werde ich bis zu dem Tag, an dem ich Jesus persönlich gegenüberstehe, weiter bitten: „Herr, dass ich sehend werde!“. Und ich bin gespannt, für was er mir noch alles die Augen öffnen wird!



Gottes Segen und bis zum nächsten Mal!

Euer Daniel


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