Vielleicht lebe ich hinter dem Mond. Vielleicht verbringe ich zu wenig Zeit im Netz (eher nicht). Vielleicht denkt ihr euch gleich: Was hat Daniel das ganze letzte Jahr gemacht, dass er davon nichts mitbekommen hat? Ich habe jedenfalls im Internet etwas entdeckt, wovon ich noch nie zuvor gehört hatte, mit dem ich nicht gerechnet habe und auch tatsächlich nicht geglaubt hätte, dass es existiert. Und genau das möchte ich heute als „Medien-Tipp“ mit euch teilen. 😉
Im Januar 2020 ging ein YouTube-Kanal an den Start, den man in etwa so beschreiben kann: Zwei verheiratete, lesbische Pastorinnen aus Eime in der Nähe von Hildesheim reden – gefördert von der evangelischen Kirche – über ihr (berufliches) Leben, Queerness, Sex und ihren Glauben an Gott. Ach so: Und eine kleine Tochter haben sie auch! Der Kanal heißt „Anders Amen“.
Wenn ihr jetzt kurz innehaltet, den letzten Absatz nochmal lest und euch fragt, ob ihr euch auch bestimmt nicht verlesen habt – genau so ging es mir auch! Und wenn ihr euch fragt, wie genau dieser Kanal mein Medien-Tipp der Woche werden konnte, dann lade ich euch ein, nicht direkt das Browser-Fenster zu schließen, sondern bis zum Ende zu lesen. 😉
Ich habe von Anders Amen über einen seltsamen aber vom Marketing der EKD scheinbar sehr erfolgreich eingestielten Umweg erfahren. Mein Lieblings-24/7-Gaming-Online-Fernsehsender Rocket Beans TV (gibt es noch andere?) strahlt in unregelmäßigen Abständen sogenannte Pen&Paper-Abende aus, bei denen ein Spielleiter und vier Spieler mit Zettel, Stift und Würfeln an einem Tisch sitzen und zusammen ein imaginäres Abenteuer erleben.
Schon einige Male ist dieses Format nun in Kooperation mit funk (der jungen Digitalsparte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens) und den Kirchen entstanden. Das heißt, neben einigen bekannten Gesichtern von RBTV waren an diesen Pen&Paper-Abenteuern auch jeweils ein/e Vertreter/in von funk und ein/e Vertreter/in der katholischen oder evangelischen Kirche als Mitspieler beteiligt. Zusammen haben diese immer wechselnden Gruppen schon im Mittelalter gegen die Pest gekämpft, ein Punk-Konzert mit (un-)erwarteten Komplikationen in der DDR veranstaltet oder als Kinder im zweiten Weltkrieg ein verschwundenes Schwein gesucht.
Im neuesten Abenteuer ging es vor einer Woche nun darum, als investigatives Journalisten-Team im fiktiven Staat Grenida brisante Ereignisse rund um eine potenzielle Revolution zu untersuchen und dabei den Überblick zu behalten, wann die Grenzen von Wahrheit und Lüge verschwimmen. Mit dabei als Caro, Fahrerin des High-Tech-Ü-Wagens: Stefanie Radtke, eine lesbische hauptberufliche Pastorin aus Eime in Niedersachsen.
Ich muss gestehen, dass ich von dem Pen&Paper-Abend nicht sonderlich viel mitbekommen habe. Die Vorstellung von Stefanie Radtke hatte mich so neugierig gemacht, dass ich dem Spiel nur noch wenig Beachtung geschenkt habe und viel mehr nebenbei mit meinem Handy gegoogelt habe, was es mit ihr und ihrem YouTube-Kanal auf sich hat. Eine lesbische Pastorin? Verheiratet? Mit Kind? Und das Ganze gefördert von der EKD? Was für ein verrücktes Konzept!
Natürlich kamen mir dazu sofort diverse Fragen in den Kopf. Gerade das Thema Queerness und Glaube ist eins, das mich aktuell sehr beschäftigt. Um mein Fazit gleich vorwegzunehmen: Ich habe keins.
Ich bin in einem christlichen Umfeld aufgewachsen, in dem das Thema Homosexualität (als präsentester Teil der ganzen LGBTIQA*-Community) sehr selten überhaupt ein Thema war. Ich kenne diverse Meinungen dazu, was Gott von Homosexualität hält. Ich weiß verhältnismäßig wenig darüber, was Leute in meinem Umfeld zu den anderen Buchstaben durch den Kopf geht. Aber ich bin sehr dankbar dafür, dass ich nie das Gefühl hatte, irgendeiner dieser Meinungen anhangen zu müssen, sondern immer wieder motiviert wurde, zu hinterfragen und mir eine eigene Meinung zu bilden. Immer dem Leitspruch folgend:
„Prüft aber alles, das Gute behaltet!“ (1. Thessalonicher 5,21)
In letzter Zeit wurde ich immer wieder auf unterschiedlichste Weise herausgefordert, mich mehr mit der Frage zu beschäftigen, was Gott über Homosexualität denkt. Ich habe dazu einiges an Bibelstudium gemacht, habe Ausarbeitungen dazu gelesen, aber eine abschließende und befriedigende Antwort habe ich für mich noch nicht gefunden. Ich möchte hier gar nicht weiter auf die diversen Gedanken eingehen, dir mir dazu im Kopf umherschwirren.
Vielmehr möchte ich meine Beschäftigung mit dem Thema Homosexualität und Bibel als Anlass nehmen, mal einige Sichtweisen und Auslegungen mit euch zu teilen, die man eher weniger findet, wenn man Homosexualität und Bibel in die Suchmaschine eingibt.
Ich möchte betonen, dass ich nicht mit allem übereinstimme, was man an Ansichten auf dem Anders Amen Kanal findet. Vielleicht sogar mit wenigem. Deshalb ist der Kanal aber nicht gleich schlecht oder gar überhaupt nicht sehenswert! Ich glaube, um eine eigene Meinung zu bilden, ist es wichtig, auch wirklich mal Gedanken aus allen Teilen des Spektrums gehört zu haben. Darlegungen, warum Gott Homosexualität hasst und man sie auf keinen Fall ausleben sollte, findet man sehr einfach. Einige Gedanken des Anders Amen Kanals habe ich dort hingegen zum ersten Mal gehört.
Ein paar Videos des Kanals habe ich inzwischen schon geschaut und auch schon das ein oder andere Mal gedacht: Das sehe ich anders. Oft habe ich auch einfach nur gedacht, dass mir einige Begründungen deutlich zu oberflächlich waren und zu viele Fragen unbeantwortet gelassen haben (ein wenig Feedback, falls Familie Radtke dies hier jemals lesen sollte 😉). Manches Mal habe ich auch einfach nur gedacht: Oha, so etwas habe ich noch nie eine Kirchenvertreterin sagen hören und ich weiß gerade nicht, was ich dazu denken soll.
Nichtsdestotrotz habe ich mich entschieden, hier einfach mal darauf hinzuweisen, dass es den Kanal gibt. So kann sich jeder, der offen, interessiert und bereit ist, zu hinterfragen, dort mal wirklich alternative – aber deshalb nicht automatisch schlechte – Ideen abholen.
Eine der Fragen, die mich in meinem Glaubensleben am meisten beschäftigen ist die Frage: Warum? Warum möchte Gott dieses oder jenes von mir? Möchte er es wirklich? Warum genau so und nicht anders? Verstehe ich das eigentlich richtig? Und damit verbunden natürlich auch die Frage: Tue ich vielleicht Menschen unrecht, weil ich überzeugt bin, dass Gott etwas Bestimmtes erwartet, was er aber vielleicht doch nur in meinem Kopf erwartet, weil ich ihn gar nicht richtig verstanden habe?
Für alle, die sich auch gerne selbst hinterfragen, habe ich hier sowohl den Link zum Kanal Anders Amen als auch einige Videos, die ich in der Zwischenzeit gesehen habe und die mich verwundert, beeindruckt, überrascht, erschrocken oder einfach schmunzeln lassen haben.
Vielleicht werden einige von euch denken: Was ist das denn für krankes Zeug? Vielleicht werden einige denken: Ich wünschte, so etwas würde nicht in die Welt getragen. Vielleicht werden aber auch einige von euch denken: So habe ich das noch nie betrachtet … da müsste ich mal drüber nachdenken.
So oder so wünsche ich erst mal viel Spaß beim Gucken – unterhaltsam ist der Kanal auf jeden Fall (sage ich jetzt einfach mal so). Ob er auch die richtigen Botschaften kommuniziert, darüber muss sich jede/r selbst eine Meinung bilden 😉
Gottes Segen und bis zum nächsten Mal
Euer Daniel
Links:
Der Kanal selbst:
Einige Videos, die ich schon gesehen habe und über die wir uns gerne austauschen können:
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