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Warrior oder Worrier?

In der englischen Sprache gibt es Wörter, die besonders für uns deutsche Ohren ähnlich klingen, doch völlig unterschiedlich geschrieben werden, und im Deutschen jeweils etwas ganz Anderes bedeuten.


Ein Beispiel dafür ist der im Zusammenhang mit dem christlichen Glauben ziemlich passende “Warrior” (dt. Krieger / Kämpfer) und im Gegensatz dazu der “Worrier” (dt. Sorgenmacher). Häufig bin ich eher Letzteres.


Wenn am Ende einer beunruhigenden Zeit alles gut gegangen ist und ich mir völlig umsonst Sorgen gemacht habe, ärgere ich mich häufig über mich selbst; kennt man doch als Christ aus der Bibel folgende Verse:

“Seid um nichts besorgt [...]” (Philipper 4,6)
“fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir! Habe keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich stärke dich, ja, ich helfe dir [...]” (Jesaja 41,10)
“Deshalb sage ich euch: Seid nicht besorgt […]. Wer aber unter euch kann mit Sorgen seiner Lebenslänge eine Elle zusetzen?” (Matthäus 6,25-27)

Es gibt so viele Verse, die dieses Thema beinhalten - und doch scheinen sie in besorgniserregenden Situationen sehr selten in meinem Kopf anzukommen.


Woran liegt das?


Laut wissenschaftlichen Studien sind nur 3 Prozent unserer rund 60.000 Gedanken am Tag positiv.* Da ist es, finde ich, kein Wunder, dass Depressionen und Angststörungen - wie Hypochondrie, soziale Angst oder Panikstörungen, um nur ein paar zu nennen - weltweit die häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen darstellen.


Der Soziologe Dr. Roland Paulsen erwähnt in seinem Buch “Die große Angst”, dass viele Menschen heutzutage nicht gut mit Unsicherheiten klarkommen – bei so vielen Auswahlmöglichkeiten, maßlosem Überfluss und gleichzeitig dem sozialen Leistungsdruck, in allem der Größte, Schönste, Schnellste (…) sein zu müssen, scheint es schon fast überlebenswichtig, Situationen richtig berechnen und Risiken perfekt abwägen zu können. Fehler werden allgemein als Schwäche angesehen; bei dem Versuch, diese zu vermeiden, kann es zu Kontrollzwängen kommen.


Auch während der Ungewissheiten in der angespannten Corona-Zeit schaute man ständig auf die Wissenschaftler, die neue Kurvenverläufe berechneten, und die Politiker, die daraus neue Maßnahmen für unser Leben ableiteten. Das Leben drehte sich nur noch darum.


Noch weiter ins persönliche Leben hinein, macht man sich Sorgen über den Job, bis hin zu möglichen Krankheiten. Die “Was, wenn...”-Frage ist dabei häufig mit von der Partie.



Wie bereits erwähnt, hat mich dieses Thema vor kurzem besonders stark beschäftigt. Nachdem ich nur für eine kurze Zeit an einer Harnwegsinfektion litt und froh war, diese wieder abgeschüttelt haben zu können (so dachte ich), sind bei mir Schmerzen am seitlichen Rücken entstanden. Nach ein bisschen Gegoogle fand ich heraus, dass ein Grund dafür tatsächlich noch immer meine Harnwegsinfektion sein konnte, die vielleicht bis in meine Nieren gewandert ist. Jedoch bin ich am Tag des Auftauchens dieser wirklich seltsamen Schmerzen nach längerer Zeit mal wieder sportlich aktiv gewesen - vielleicht war es doch nur das Resultat einer Muskelzerrung?


Da ich das ohnehin schon überlastete britische Gesundheitssystem nicht unnötig weiterstrapazieren wollte, gab ich mir eine Frist von ein paar Tagen, um zu schauen, ob es nicht von selbst wieder besser wurde. Um die Schmerzen abends aushalten zu können, nahm ich mir Schmerztabletten zu Hilfe.


Nach drei Tagen reichte es mir und ich rief beim Hausarzt an. Entgegen meiner (negativen) Erwartung bekam ich noch am selben Tag einen Termin.


Ich erfuhr dann durch einen Test, dass ich tatsächlich noch immer eine starke Infektion hatte, die sogar sehr wahrscheinlich der Grund für die Rückenschmerzen war. Für die nächsten 7 Tage hieß es nun: Hallo, Antibiotikum!


Obwohl ich froh über eine Diagnose war, fingen gleichzeitig meine Gedanken an, Karussell zufahren. Meine Google-Suche nach “worst case Szenarien” bei Niereninfektionen war dabei nicht gerade hilfreich.


Was, wenn ich zu spät mit dem Antibiotikum angefangen habe und meine Nieren über die vergangenen zwei Wochen schon so stark beschädigt wurden, dass sie irgendwann aufhören, zu funktionieren? Angeblich merkt man es nicht gleich sofort, wenn dieser Fall eintritt! Was, wenn ich daran sterbe? Ein Krankheitsfall aus der Familie meines Mannes mit negativem Ausgang kam mir wieder in den Kopf. Es kann so schnell vorbei sein. Wie lebt man sein Leben, als sei jeder Tag der letzte? Es hörte gar nicht mehr auf. Am Abend der ersten Tabletten-Einnahme betete ich zu Gott und wunderte mich mal wieder darüber, wie oft und intensiv ich mich an ihn wende, wenn es mir schlecht geht; wenn alles gut ist, beschränken sich meine Dank-Gebete lediglich auf wenige Sätze ...


AnschIießend testete ich noch den Wecker in meinem Smartphone, der während der vorherigen Tage ausgestelt war, da ich Urlaub hatte. Ich wollte am nächsten Tag nicht verschlafen und riskieren, zu spät zur Arbeit zu kommen ...


Am nächsten Morgen wachte ich auf – allerdings nicht wie geplant vom Wecker! Der hatte nicht geklingelt.! Doch trotzdem war ich fast genau zur beabsichtigten Zeit wach! Welch ein Wunder!


Mir kam sofort ein Gedanke: Ich hatte am Vorabend extra noch alles überprüft, trotzdem schien ich irgendeine technische Besonderheit übersehen zu haben, und dennoch hat Gott dafür gesorgt, dass ich nicht verschlafe!


In meinem Kopf verband sich diese Erkenntnis mit dem Folgenden: In Bezug auf meine Niereninfektion kann ich dies als Zeichen sehen, dass ich diese Sorge loslassen kann. Ich kann mir noch so viele Sorgen machen, noch so viel planen und überprüfen, es kann immer etwas anders kommen, als beabsichtigt. Deshalb kann ich die Sorgen genau so gut loslassen und darauf vertrauen, dass ich nicht alleine bin, sondern Gott an meiner Seite ist. Und wenn es wirklich hart auf hart kommt und ich sterbe (was uns allen auf dieser Welt ja irgendwann bevorsteht), habe ich die Zuversicht, dass Gott mich auch dann am Ende wieder aufwecken wird - sogar ohne Wecker! Diese frühmorgendliche Erfahrung hat mich durch den ganzen Tag getragen und mir einen inneren Frieden gebracht, den ich mir in dieser Situation nie hätte erträumen können.


Ich teilte diese Erfahrung in unserer Study Group, die (zufällig) am selben Abend stattfand. Dort erfuhr ich von einer Schwester, die im medizinischen Bereich tätig ist, dass sie bereits viel schlimmere Symptome bei einer Niereninfektion gehabt habe, die auch keine bleibenden Schäden hinterlassen hätten. Und ein Bruder berichtete mir am nächsten Tag von seiner Erkenntnis, die er zu diesem Thema durch die Geschichte von Abraham gewonnen hat. Freundlicherweise gab er mir die Erlaubnis, diese hier zu teilen (danke dafür!):

“Ich habe gerade etwas über Abraham gelesen. Da stand einfach nur, dass die Essenz seiner Geschichte ist, dass er sich auf den Weg gemacht hat, ohne das Ziel zu kennen, und einfach vertraut hat, dass Gott alles zum Guten führen wird. Und so sind wir ja alle auf dem Weg und es kann potentiell für alle dramatisch und schlecht enden (in diesem Leben), aber daran gibt es eh keinen Weg vorbei. Der Unterschied für uns gegenüber Atheisten ist, dass wir vertrauen dürfen, dass wir mit einem unterwegs sind, der den Weg kennt. Und der sogar im besten Fall den Weg für uns zum Positiven ändert. Und selbst wenn nicht, dann wissen wir, dass es irgendwie im großen Ganzen besser war, dass es so gekommen ist, warum auch immer. Und obendrein ist der Tod ja auch nicht das Ziel, sondern das Ziel liegt noch dahinter. Irgendwie hat mich das gerade beruhigt, weil es so einfach ist. Einfach dieser Gedanke, dass der Weg für alle ungewiss und unheimlich ist, aber wir laufen wenigstens mit dem, der den Weg kennt, anstatt komplett planlos.”

Ich finde, besser kann man es nicht ausdrücken. Deshalb kann ich an dieser Stelle nur noch einmal auf folgenden Bibelvers hinweisen, den ich oben bereits zur Hälfe zitiert, dabei jedoch den wichtigen zweiten Teil weggelassen habe:

“Seid um nichts besorgt, sondern in allem sollen durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus.” (Philipper 4,6)

Vertraut euch Gott an, redet mit ihm, und gebt eure Sorgen an ihn ab.


Ebenso hat Gott uns die Freundschaft und die Gemeinschaft mit anderen gegeben, dass man sich gegenseitig hilft und erbaut:

“Darum tröstet euch untereinander und einer erbaue den andern [...]” (1. Thessalonicher. 5,11)

Deshalb ist es so wichtig, sich auch einander anzuvertrauen, wenn es einem nicht gut geht. Die Erfahrung hat mir bisher gezeigt, dass es mir meistens hinterher besser geht, als wenn ich allein mit meinen dunklen Gedanken geblieben wäre.


Für diese gewonnenen Erkenntnisse bin ich sehr dankbar. Ich hoffe, sie helfen dem ein oder anderen ebenso, vom Worrier zum Warrior zu werden, und anstatt mit Angst und Sorge mit Zuversicht, Hilfsbereitschaft und Liebe durch das Leben zu gehen. Und mit Gott an der Seite, der den Weg kennt.


TIPP: Versucht einmal, bei Sorgen nicht die “Was, wenn”-Frage zu stellen, sondern stattdessen einen “Selbst wenn...”-Satz zu formulieren. Dies lenkt den Fokus vom Problem auf das worst case Szenario, welches unter Umständen gar nicht so schlimm ist, wie man vorher gedacht hat.


Und dann ist es an der Zeit für: Let go and let God.


Eure Hannah-Mi




Gelegentliche Gastbeitrag-Schreiberin, hat grundsätzlich eine positive Einstellung, mag tiefsinnige Gespräche, liebt es, zu lachen, fühlt sich Gott in der Natur am nächsten, teilt die Ansicht 'Gemeinschaft ist trotz Unterschiede möglich' und lebt mit Mann und 2 Katzen in Schottland.

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